Projekt Rückwärtsfahren

Rückwärtsfahrten von Müllfahrzeugen

In den vergangenen Jahren haben sich Unfälle durch rückwärtsfahrende Sammelfahrzeuge in Deutschland gehäuft, was die Unfallkassen zu einer Überarbeitung der Vorgaben veranlasst hat. Durch die Konkretisierung sind die Branchenregeln verschärft worden und Gerichte verhalten sich im Streitfall konsequent, wenn es um die Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen und / oder Organisationsverschulden eines Unternehmens geht.

Da Rückwärtsfahrten mit dem Sammelfahrzeug gefährliche Handlungen darstellen, sollen sie nach den neuen Branchenregeln grundsätzlich vermieden werden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurden in Frankenthal alle Straßen, in denen ein Sammelfahrzeug rückwärts fährt, neu bewertet und Alternativen dazu festgelegt.

Wie wirkt sich das auf die Abfallsammlung aus?

Um Rückwärtsfahrten zu vermeiden, stehen verschiedene Alternativen zur Verfügung. Für Jede Problemstelle in Frankenthal wurde geprüft, welche Möglichkeiten rechtlich und organisatorisch umsetzbar sind. Bei mehreren möglichen Maßnahmen werden grundsätzlich die Anwohner mit einbezogen oder die anliegerfreundlichste Maßnahme umgesetzt.

  • Anpassung der Tourenpläne

    Alle Rückwärtsfahrten, die durch die Anpassung der Tourenpläne verhindert werden können, wurden direkt umgesetzt und haben keine Auswirkungen auf die Anwohner. Längere Fahrtwege und doppelt durchfahrene Straßen werden dabei in Kauf genommen.

  • Parkverbote

    Oft sind Wendemöglichkeiten vorhanden, aber nicht nutzbar, da sie verparkt sind. An betreffenden Engstellen werden Parkverbote eingerichtet, damit die Abfallsammelfahrzeuge freie Bahn haben.

    Da die Verparkung in Frankenthal ein generell wachsendes Problem für die Sammelfahrzeuge darstellt, informiert der EWF vorbereitend mit Flyern an betreffenden Fahrzeugen. Damit werden Autofahrer um Einsicht, Rücksicht und verantwortungsvolles Parken gebeten. Achtung! Für ein Parkverbot muss nicht zwingend ein Schild aufgestellt werden. Laut Straßenverkehrsordnung gelten auch Parkverbote 5 Meter vor und nach Kreuzungen, auf Gehwegen, im Kurvenbereich, in allen Wendeeinrichtungen, vor abgesenkten Bordsteinen und wenn die Restbreite der Fahrbahn weniger als 3 Meter beträgt. Sollte der Apell nicht helfen, zieht das Ordnungsamt mit Strafzetteln nach oder lässt abschleppen. Denn, wo das Sammelfahrzeug nicht durchkommt, kommt auch kein Löschfahrzeug durch!

    Schwarzer Mercedes der ein Abfallsammelfahrzeug in einer Wendeeinrichtung blockiert durch Falschparken.

    Durch das Fahrzeug wird die Wendeeinrichtung blockiert. Der Radius reicht nicht, damit der LKW abbiegen kann. So musste der Fahrer 200 Meter durch zwei Kurven rückwärts ausfahren. Das Unfallrisiko ist hoch!

    Weisßer Transporter mit Anhänger der eine Kreuzung verparkt

    Durch den Anhänger kann das Sammelfahrzeug nicht nach links abbiegen und muss die Straße rückwärts befahren. Das wäre an dieser Stelle sonst nicht notwendig gewesen. 5 Meter vor und nach Kreuzungen gilt Parkverbot, damit die LKW genug Radius haben, um abbiegen zu können.

  • Vollservice gegen Gebühr

    Um nicht mehr in Straßen einfahren zu müssen, werden die Anwohner auf den Vollservice umgestellt. In diesen Ausnahmefällen wird der Vollservice auch für herkömmliche Mülltonnen mit 2 Rädern genehmigt. Die Gebühren berechnen sich hier rein nach dem zeitlichen Aufwand für die Mitarbeiter und nicht nach der Wegstrecke oder dem Behältervolumen. Wenn ein geeigneter alternativer Bereitstellungsort existiert, wird dem Anwohner die Wahl gelassen, ob  er den Vollservice buchen möchte, oder den Behälter selbst bereitstellt.

    Um den Vollservice anbieten zu können, müssen die Voraussetzungen durch die DGUV Regel 114-601 Kapitel 3.4 gegeben sein:

    • Auf der gesamten Strecke muss ein ebener, berollbarer und trittsicherer Belag vorliegen
    • Eine Beleuchtungsstärke von mind. 50 Lux auf der gesamten Strecke
    • Die Zugangswege müssen laub-, schnee-, eis- und grasfrei sein
    • Für 4-rädrige Behälter: maximal 3 Prozent Steigung, mindestens 1,5 Meter breite und 2 Meter hohe Zugangswege
    • Für 2-rädrige Behälter: maximal 12,5 Prozent Steigung, 0,8 Meter breite und 2 Meter hohe Zugangswege
  • Vorgabe für die Bereitstellung

    Um eine Rückwärtsfahrt zu vermeiden, kann die Stadt jedem Anwohner einen Bereitstellungsplatz für die Abfallbehälter zuweisen. Die Anwohner stellen ihre Abfallbehälter am Leerungstag dann an der nächstgelegenen befahrbaren Straße bereit. Eine Wegstrecke von bis zu 200m ist nach bisherigen Gerichtsurteilen für den Anwohner zumutbar.

    Die Voraussetzungen laut DGUV Regel 114-601 Kapitel 3.3 sind ein stufenfreier, trittsicherer und befestigter Untergrund sowie ausreichend Platz zum Positionieren. Außerdem müssen nach der Kreislaufwirtschaftssatzung von Frankenthal (KrWs FT §14 (6)) die Behälter so aufgestellt werden, dass Fußgänger nicht gefährdet oder behindert werden. Dies erfordert eine Gehwegbreite von mindestens 1,5 Meter.

  • Sonstige / bauliche Maßnahmen

    An manchen Problemstellen sind individuelle Lösungen sinnvoller als die vorher genannten, weshalb vereinzelt auch Sonderlösungen gefunden wurden. Auch bauliche Maßnahmen gehören zu dieser Kategorie. Beispielsweise werden auf öffentlichen Grünflächen Behälterstandorte gebaut, an denen die Behälter dann bereitgestellt werden.

Dürfen Müllfahrzeuge gar nicht mehr rückwärtsfahren?

Doch! Aber nur in Ausnahmefällen und mit strengen Vorgaben. Für unvorhersehbare Rückwärtsfahrten wie z.B. temporäre Baustellen darf mit Einweisung weiterhin rückwärts gefahren werden. Für vorhersehbare Rückwärtsfahrten müssen alle Optionen ergriffen werden, um die Rückwärtsfahrt zu verhindern. Erst wenn es keine zumutbaren Alternativen gibt, ist unter Beachtung folgender Voraussetzungen eine Rückwärtsfahrt ausnahmsweise gestattet:

  • Die Fahrstrecke darf maximal 150 Meter betragen
  • An beiden Seiten des Fahrzeuges muss ein Sicherheitsabstand von mindestens 0,5 Meter ab Spiegelkante vorhanden sein.
  • Mindestens ein Mitarbeiter muss den Fahrer einweisen
  • Es darf maximal in Schrittgeschwindigkeit gefahren werden.
  • Die Sicht durch die Rückspiegel darf nicht verdeckt sein.
  • Im Gefahrenbereich des Abfallsammelfahrzeuges dürfen sich keine Personen aufhalten.
  • Die Fahrstrecke muss befestigt und eben sein.

Wie erfolgt die Umstellung?

Die Sammelgebiete wurden anhand der getroffenen Maßnahmen kategorisiert und werden stufenweiße umgestellt.

  • Stufe 1: Gebiete mit geringem Verwaltungsaufwand

    • Hierzu zählen die Abfalltouren 5, 6, 8, 10, 11, 12, 17
    • Betroffene Haushalte erhalten ein Anschreiben vom EWF mit der Aufforderung, Behälter zukünftig an einen definierten Bereitstellungsort zur Verfügung zu stellen oder alternativ, wenn möglich, einen kostenpflichtigen Vollservice zu beantragen. 
    • Als Vorbereitung für Stufe 2 werden Hinweiskärtchen in allen Sammelgebieten an falschparkende Autos geklemmt, die den Halter informieren, dass er zukünftig verantwortungsbewusster parken sollte.
  • Stufe 2: Gebiete mit größerem organisatorischen Aufwand

    • Hierzu zählen die Abfalltouren 2, 3, 4, 13, 14, 15, 16, 18
    • Analog zu Stufe 1 erhalten betroffene Haushalte ein Anschreiben mit den zur Verfügung stehenden Optionen.
    • Parkverbote werden, wo nötig, eingerichtet.
    • Bestehende Parkverbote werden verstärkt und gezielt durch das Ordnungsamt kontrolliert. 
  • Stufe 3: Gebiete, in denen bauliche Maßnahmen erforderlich sind

    • Hierzu zählen die Abfalltouren 1, 7, 9, 19
    • Analog zu Stufe 1 und 2 erhalten betroffene Haushalte ein Anschreiben mit den zur Verfügung stehenden Optionen.
    • Analog zu Stufe 2 werden Parkverbote eingerichtet und verstärkt kontrolliert.
    • Bauliche Maßnahmen werden umgesetzt, wie die Einrichtung von zentralen Sammelstellen für Abfallbehälter, Bordsteinabsenkungen und die Anpassung von Zufahrtswegen.