„The Lady with Bird"
Die ausgewählte Figur stammt aus der späteren Phase der Frankenthaler Porzellanherstellung und wurde Mitte der 1950er Jahre in der Manufaktur Friedrich Wilhelm Wessels hergestellt. Auch wenn sie sich nur sehr bedingt in die lokale Herstellungstradition, mit ihrer Blütezeit im 18. und 19. Jahrhundert, einreihen, sind die Wessel-Figuren dennoch ein fester Bestandteil dieser Entwicklungsgeschichte, und natürlich nehmen sie auch einen festen Platz in der Sammlung des Erkenbert-Museums ein. Die englische Bezeichnung "Lady with bird" der Figur geht auf die entsprechende Exportliste zurück – Wessel selbst produzierte durchaus erfolgreich für den internationalen Markt.
Manufaktur: Friedrich Wilhelm Wessel
Herstellungsjahr: 1955
Material: Porzellan / Porzellanspitze
Maße: B: 13,5 cm; T: 8.,5 cm; H 11 cm
Gewicht: 329 g
Die Figur
Eine junge Frau lehnt auf einer Chaiselongue. In der linken Hand hält sie einen Fächer und wendet sich halb einem am Kopfende sitzenden bunten Papagei zu. Ihre grau gepuderte Hochsteck-Frisur ist mit Federn geschmückt, ihr Hofkleid besteht aus einem taillierten purpurnen Oberteil sowie aus einem mehrlagigen weißen Tüllrock, Halsausschnitt, Ärmel, Rocksaumen und Vorderseite sind mit rosafarbiger Spitze versehen, Blumenapplikationen zieren die Spitze des Halsausschnittes und den weißen Tüll auf der Rückseite des Rocks. Das gesamte Ensemble wird von blassrosa, weißlichen und purpurnen Farben dominiert, die Details sind vergoldet.
Die Manufaktur Friedrich Wessels
Als Wessel-Figuren sind die Dame und ihr gefiederter Gefährte keine seltenen Gäste in Frankenthal. Der Porzellanfabrikant Friedrich Wilhelm Wessel etablierte seinen Betrieb 1949 im Frankenthal der Nachkriegszeit auf dem Gelände der ehemaligen Gehörlosenschule in der Mahlastraße. Seitens der Stadt wurde er mit großzügigen finanziellen Startbedingungen und komfortablen Pachtbedingungen bedacht, die ihm einen raschen strukturellen und personellen Ausbau der Fabrik ermöglichten. Bei seiner Produktpalette ging er von Beginn an durchaus eigene Wege, abseits der hiesigen Porzellan-Tradition. Wessel stammte aus dem thüringischen Rudolstadt und berief sich bei seinen Arbeiten auf eigene Formen, die auf die Werkstätten seiner Heimatstadt sowie auf die Manufaktur Passau-Innstadt zurückgingen. Dennoch ließ er es sich bei seinen frühen Produkten nicht nehmen, das „CT“-Monogramm des Kurfürsten Carl Theodor als Qualitätsausweis des traditionellen Frankenthaler Porzellans zu adaptieren – bis es ihm nach einem Rechtsstreit offiziell untersagt wurde, sich mit „fremden Federn“ zu schmücken. Den ebenfalls werbewirksamen Zusatz „Frankenthaler Porzellan“ durfte er hingegen behalten. So findet sich auch bei der später entstandenen "Lady with bird" nur noch das „FW“- Monogramm des eigentlichen Herstellers.
Die Umstände und Beweggründe, die Wessel veranlassten, seinen Betrieb 1958 – nach nicht einmal zehn Jahren – aufzugeben, sind bis heute nicht vollständig geklärt. Nach der Einstellung der Produktion übernahm die Stadt das Firmengebäude, die fortan als Notunterkunft für Flüchtlinge diente. Über den Verbleib der von Wessel genutzten Original-Formen nach der Betriebsschließung ist bis heute ebenfalls nichts bekannt.
Porzellanspitze – eine thüringische Tradition in Frankenthal
Im Formensortiment der Figuren des Wessel-Porzellans spielten Sujets in Anlehnung an Barock und Rokoko bis hin zum Biedermeier eine wichtige Rolle. Hinzu kamen zeitgenössische Interpretationen von antikisierenden Themen und Allegorien. Eine technische Besonderheit, die Wessel aus Thüringen mitbrachte und die sich auch als Zierelement in der höfischen Kleidung der Frankenthaler Dame mit ihrem Papagei wiederfindet, ist die Technik der filigranen Porzellanspitze. Hierbei wird das eigentliche Spitzenmaterial mit einer hauchdünnen Porzellanflüssigkeit überzogen, sodass sie beim anschließenden Brennvorgang vergeht und nur die Struktur des gebrannten Überzugs bestehen bleibt.
Übrigens ist das Motiv selbst in der Sammlung des Erkenbert-Museums nicht alleine: Zwei weitere leicht abgewandelte Fassungen dieses Ensembles mit anderer Bemalung haben ebenfalls ihren Weg in den Sammlungsbestand gefunden.
Information:
Benjamin Schröder, Museologe des Erkenbert-Museums
museum@frankenthal.de
Tel. 06233 89-832