Stadttor mit Reliefschmuck

Carl-Theodor-Jahr 2024

Carl Theodor und Frankenthal

 

Der Text auf dieser Seite beinhaltet historische Informationen über das Leben und Wirken Carl Theodors (1724 - 1799), Kurfürst von der Pfalz, der seinerzeit die Kurpfalz stark geprägt und insbesondere die Stadt Frankenthal nachhaltig gefördert hat.

Eine PDF-Datei des Textes steht unter folgendem Link zum Download bereit: 


Carl Theodor und Frankenthal

Autorin: Elisabeth Wietor, 2023

Die Kurpfalz im 18. Jahrhundert

Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert war Frankenthal Teil der Kurpfalz, einem Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, was seit dem Mittelalter von einem Kurfürsten, dem „Pfalzgrafen bei Rhein“, regiert wurde. Regierungssitz war lange Zeit Heidelberg gewesen, doch 1720 erfolgte der Umzug des Hofes nach Mannheim unter dem Vorgänger Carl Theodors. Seit 1685 wurde die Kurpfalz von der Wittelsbacher Linie Pfalz-Neuburg regiert, die ebenfalls Herzöge von Jülich und Berg waren. Diese waren katholisch und betrieben eine sogenannte Rekatholisierungspolitik, d.h. sie förderten und bevorzugten die katholische Minderheit zu Lasten der Lutheraner und Reformierten. Das 17. Jahrhundert hatte den Einwohnern der Kurpfalz durch Kriege, Zerstörungen und Hungersnöte viel abverlangt: Erst der Dreißigjährige Krieg von 1618-1648 und - für die Kurpfalz noch verheerender - der Pfälzische Erbfolgekrieg von 1688-1697. Vor allem im Zug des Pfälzischen Erbfolgekriegs wurden zahlreiche Städte von den Franzosen besetzt und bei deren Abzug planmäßig zerstört. Neben Heidelberg und Mannheim war auch Frankenthal von diesem Schicksal betroffen. Ganze zehn Häuser waren noch intakt, als die französischen Truppen das Feld räumten. Das 18. Jahrhundert stand somit im Zeichen des Wiederaufbaus und war geprägt durch einen Wirtschaftsaufschwung, durch Bevölkerungswachstum, Industrialisierung und Merkantilismus. Diese Form der Wirtschaftspolitik ist durch massive Staatseingriffe gekennzeichnet und typisch für die Zeit des Absolutismus: Viel Export, wenig Import, Abschaffung von Binnenzöllen. Ziel war eine positive Leistungs- und Handelsbilanz. Es war auch die Zeit des Barock, der Aufklärung, des Absolutismus und der konfessionellen Gegensätze. Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) brach für die Kurpfalz eine Friedenszeit an, die bis zum Ausbruch der französischen Revolution 1789 und dem Einmarsch französischer Truppen in pfälzisches Territorium anhielt. 

Carl Theodor als Kurfürst von der Pfalz und Förderer Frankenthals

Carl Theodor stammte aus der Wittelsbachischen Linie von Pfalz-Sulzbach und wurde am 10. Dezember 1724 in Drogenbusch bei Brüssel geboren. 2024 jährt sich sein Geburtstag somit zum dreihundertsten Mal, was Anlass für zahlreiche Jubiläumsfeiern und Tagungen sein wird. Nach dem frühen Tod seiner Eltern übernahm sein Onkel, der damalige Kurfürst Carl Philipp (1661-1742), die Vormundschaft. Da der Kurfürst selbst keine erbberechtigten Kinder hatte, erzog er Carl Theodor zu seinem Nachfolger und verheiratete ihn mit seiner Enkelin Elisabeth Augusta. Mit seinem Tod am 31. Dezember 1742 wurde Carl Theodor zum letzten Pfalzgrafen und Kurfürsten von der Pfalz ernannt. Seine Regierungszeit währte über 50 Jahre, von 1742 bis 1799, und prägte die kulturelle, ökonomische und infrastrukturelle Entwicklung des süddeutschen Raumes. Sein großes Interesse an Kunst, Kultur, Musik und Wissenschaften bescherte der Kurpfalz nach einem Jahrhundert des Krieges und der Zerstörung eine lange ersehnte Ruhe- und Blütezeit. Er gründete die Mannheimer Schule, die Kurpfälzische Mannheimer Akademie der Wissenschaften, sammelte Gemälde und Kupferstiche, richtete ein Naturalienkabinett und eine Hofbibliothek ein. Auch als Bauherr hat Carl Theodor sich einen Namen gemacht. Er hat den Umbau des Schlosses in Mannheim beendet, 1781 in Heidelberg das Karlstor und 1788 die Alte Brücke errichten lassen. Den berühmten Schlossgarten von Schwetzingen, den er sehr gerne für ausgiebige Spaziergänge nutzte, ließ er erweitern. In Frankenthal hat Carl Theodor sich durch die Neugestaltung der Stadttore verewigt, die das Stadtbild bis auf den heutigen Tag prägen. Auch ein Neubau des Rathauses geht auf ihn zurück, der 1943 beim Bombenangriff allerdings zerstört wurde. Den Bau der katholischen Kirche St. Dreifaltigkeit unterstützte er wie sein Vorgänger. Er wurde 1748 fertiggestellt, doch auch hier wurden die kunstvolle Ausgestaltung und Ausmalung des Innenraums durch die Brüder Asam 1943 unwiderruflich zerstört. Wirtschaftlich tat er einiges, um die vom Krieg zerstörte Kurpfalz wiederaufzubauen und hier spielte die ehemalige Festungsstadt Frankenthal eine entscheidende Rolle. Als dritte Hauptstadt wurde sie zum wirtschaftlichen Zentrum der Kurpfalz ausgebaut und durch die Gründung von über zwanzig Manufakturen zu einer „Fabriquenstadt“ gemacht. Durch den Bau eines Verbindungskanals zum Rhein sollte der Handel gefördert werden. Zudem unterstützte Carl Theodor den Bau und die Verbesserung von Straßen, und versuchte die in der Kurpfalz vorhandenen Bodenschätze nutzbar zu machen. Er verlieh der Stadt Frankenthal vier neue Privilegien (1745, 1758, 1771, 1786) und förderte die Landwirtschaft durch Errichtung von Märkten, wie der Frankenthaler Fruchtmarkt oder Kornmarkt, der bis heute Bestand hat. Hier konnten die Bauern der Umgebung, ebenso wie Bäcker, Metzger und andere Handwerker dienstags und freitags ihre Produkte anbieten. Die dort festgelegten Preise waren maßgebend für weite Gebiete der Kurpfalz und aus ihm entstanden später die Getreidebörsen in Mannheim und Worms. Auch durch die Gründung und Förderung von kulturellen Einrichtungen wie das Philanthropin, eine Mädchenschule nach den Grundsätzen des Philanthropismus, oder das St.-Elisabeth-Hospital hat er Frankenthal geprägt. Durch die Förderung des neugegründeten Kirchenchores mit Orchester hat er den Grundstein des Frankenthaler Musiklebens gelegt. Er hat die Stadt mehrmals besucht, 1756 war er u.a. in der Porzellanmanufaktur zu Gast und zum letzten Mal am 15. Juni 1785, wo er zusammen mit seiner Gemahlin auch das von ihm geförderte Philanthropin besuchte. Am 30. Dezember 1777 wurde er auch Kurfürst von Bayern und war gezwungen, seine Residenz von Mannheim nach München zu verlegen, wo er im Jahr 1799 starb. Den Einfall der Franzosen in die Kurpfalz und die Besetzung der linksrheinischen Territorien hat er nicht mehr direkt erlebt. Im Zuge der napoleonischen Kriege wurde die Kurpfalz als eigenständiges Territorium aufgelöst – ein Großteil der rechtsrheinischen Gebiete fiel an die Markgrafschaft Baden und Bayern wurde ein eigenes Königreich. Mit Carl Theodor endete also eine Epoche.

Joseph Fontanesi: Geheimrat Carl Theodors und Förderer der Stadt Frankenthal

Wer über Carl Theodor und Frankenthal spricht, kann den treuen Minister und Geheimrat Joseph Fontanesi (1710-1795) nicht übergehen. Er war italienischer Abstammung und tauchte bereits unter dem Vorgänger Carl Theodors als Geheimsekretär am kurpfälzischen Hof auf. Unter Carl Theodor war er zunächst Sprachensekretär und ab 1756 Hofgerichtsrat „wegen seines unermüdlichen Fleißes“. Er war ein enger Vertrauter des Kurfürsten und galt als „Projektemacher“ und „Chefdenker“. Seine Kritiker warfen ihm freilich vor, er sei „unredlich“ und das „Mitglied einer Bande, die den Kurfürsten in ihren Krallen hielt“, und seine Projekte seien „chimärisch“, also Hirngespinste. Er wohnte zur Miete in Mannheim, besaß aber ein eigenes Haus in Frankenthal (Lambsheimer Gasse, heute Bahnhofsstraße 38). Für viele Entscheidungen Carl Theodors in Wirtschaftsfragen war er maßgeblich verantwortlich, u.a. entwickelte er den Plan zur Industrialisierung der Kurpfalz. Es handelte sich um ein Reformprojekt im Stil des Merkantilismus von Colbert. Auf seine Anregung hin wurde Frankenthal zum industriellen Zentrum der Kurpfalz aufgrund seiner günstigen Lage am Schnittpunkt wichtiger Handelsstraßen. Er griff auch die Pläne zum Bau eines Verbindungskanals zum Rhein wieder auf und war führendes Mitglied der von ihm gegründeten Fabriken-, Privilegien- und Polizeikommission, die ihren Sitz in Frankenthal hatte und die industrielle Selbstversorgung der Kurpfalz organisieren sollte. Ihr unterstanden sämtliche Bürger des sogenannten Fabrikenstandes, die in den Manufakturen tätig waren. Fontanesi war es auch, der die Pflanzung von Maulbeerbäumen auf den Wällen Frankenthals und im Umland anordnete, um die Seidenraupenzucht zu fördern. Außerdem regte er beim Kurfürsten die Stiftung von gemeinnützigen Einrichtungen an, wie das St.-Elisabeth-Hospital und das „Philanthropin für Frauenzimmer protestantischer Religion“, einer Mädchenschule nach den Grundsätzen des damals populären Philanthropismus, der sich am Gedankengut von Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) orientierte. Er und seine Frau ließen sich obendrein häufig als Taufpaten für Kinder aus armen Familien eintragen, um sie so besser unterstützen zu können.  Obendrein war er ein Förderer der katholischen Kirchengemeinde, deren Mitgliederzahl er durch die Beziehung von Fachkräften aus katholischen Gegenden beträchtlich vermehrte. 1773 gründete er einen katholischen Kirchenchor mit Orchester, für dessen nachhaltige Finanzierung er Sorge trug und der noch heute als Kirchenchor St. Dreifaltigkeit Bestand hat.  Aus ihm gingen andere Chöre und Orchester hervor, so dass er als Wurzel des gesamten heutigen Frankenthaler Musiklebens gelten kann. Er regte auch an, dass sein Namenspatron, der Heilige Joseph, zum Schutzpatron Frankenthals erhoben wurde, und stiftete eine Statue des Heiligen, die heute in der Vorhalle der Kirche St. Ludwig zu bewundern ist. Als der Landesherr 1777 seine Residenz nach Bayern verlegen musste, war u.a. Fontanesi für die Organisation des Transitverkehrs zwischen Mannheim und München verantwortlich. 1795 starb er kinderlos in Mannheim und vermachte sein Vermögen dem von ihm geförderten St.-Elisabeth-Hospital in Frankenthal. Die Stadt hatte in ihm einen wichtigen Förderer und Wohltäter, und nach ihm ist eine Straße benannt.

Carl Theodor als Bauherr: Das Wormser Tor und das Speyerer Tor (1770-1773)

Wer Frankenthal durch das Wormser oder das Speyerer Tor betritt, wird unmittelbar auf Carl Theodor stoßen, denn die heutige Gestalt der beiden Stadttore ist ihm zu verdanken. Im 17. Jahrhundert war Frankenthal eine Festungsstadt gewesen und hatte zwei große Kriege überstanden. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1689-1699) war sie obendrein völlig zerstört und die Festung abgetragen worden. Der Vorgänger Carl Theodors, Carl Philipp (1661-1742), hatte schon einiges in Sachen Wiederaufbau geleistet und unter anderem eine einfache Stadtmauer errichten lassen, die jedoch nicht vollendet wurde und an einigen Stellen einsturzgefährdet war. Der Ausbau und die Vervollkommnung der Befestigung war dann die Aufgabe Carl Theodors, doch die „popeligen Carl-Philipp-Tore“, wie er sich ausdrückte, ließ er abreißen. Ab 1770 wurden dann zwei anspruchsvollere Stadttore im Barockstil errichtet, die mehr repräsentativen Zwecken als der Befestigung dienten. Der Architekt war Nikolas de Pigage (1723-1796) aus Mannheim, der sich bereits mehrfach ausgezeichnet und das Vertrauen des Fürsten erworben hatte. Das Wormser Tor wurde 1770-72 ausgeführt, das Speyerer Tor 1772-73. Bei beiden Toren handelt es sich um einen triumphbogenartigen Sandsteinquaderbau. Das Speyerer Tor zieren zudem zwei Löwen von Anton von Verschaffelt (1710-1793), die 1780 an der Südseite angebracht wurden und 1794 unter der Franzosenherrschaft als Symbole der Feudalherrschaft vom Sockel gestoßen wurden. Sie befanden sich jahrzehntelang im Garten der Kirche St. Ludwig neben der Statue des Heiligen Josephs, die auch einst vor dem Speyerer Tor stand, und kamen erst bei der Renovierung des Speyerer Tores 1975 an ihren alten Platz zurück. Das Wormser Tor ist an der Nordseite mit einem Giebel, einem Doppelpilaster und dem kurfürstlichen Wappen ausgestattet. An der Stadtseite gab es einst Reliefschmuck auf dem Dach, heute ist nur noch ein Löwe zu sehen, der den Wappenschild mit dem weißen Reliefporträt von Carl Theodor hält. Es wurde von dem berühmten Mannheimer Hofbildhauer Paul Egell (1691-1752) gestaltet. 1879 wurde ein Ratsbeschluss zum Abriss der Stadttore durch die aufgebrachten Bürger gekippt. Die Nachwelt darf sich darüber freuen, denn auf diese Weise sind zwei architektonische Schmuckstücke erhalten geblieben, die auch heute noch das Stadtbild prägen. Das Speyerer Tor wurde von einem Kulturausschuss und dem Stadtrat außerdem als Wahrzeichen von Frankenthal auserkoren.

Der Bau des städtischen Rathauses (1755/56)

1753 erwarb die kurpfälzische Regierung für 2300 Gulden ein stattliches Haus, das an der Stelle des heutigen Hauptflügels stand und aus dem sich der moderne Rathauskomplex entwickelte. Die Stadt musste deshalb die Kaufsumme und auch die erheblichen Kosten für den Umbau übernehmen, der 1755/56 erfolgte. Das Portal wurde mit einer Rustika-Rahmung und zwei vorgestellten toskanischen Säulen umfasst, darüber befand sich ein Balkon mit Rokokogitter und dem Frankenthaler Wappen. Über der Balkontür wurde eine stuckierte Kartusche mit einer lateinischen Inschrift angebracht, die den Erbauer in angemessener Weise würdigt: „Den besten Fürsten möge Gott erhalten, Karl Theodor Kurfürst der Pfalz, der Beschützer der Religion, der gerechte, fromme, glückliche Herrscher, der den Bitten immer Geneigte, den Wünschen oft willfährige Vater des Vaterlands ließ in seiner hohen Freigiebigkeit dieser Stadt gegenüber dieses Haus aus Zöllen und Abgaben zum Schmuck und Wohl der Bürger, aus Liebe zu den Einwohnern, den allgemeinen Wünschen entsprechend, errichten. Im Jahr des Herrn 1756“ Im selben Jahr wurde das neue Rathaus in Dienst gestellt.

Carl Theodor als Förderer der Wirtschaft: Frankenthal als „Fabriquenstadt“ und industrielles Zentrum der Kurpfalz

Noch bedeutender als die baulichen Leistungen Carl Theodors waren seine Leistungen in der Wirtschaft, und hier hat gerade Frankenthal diesem Kurfürsten unheimlich viel zu verdanken. Nach den Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1689-1697) waren der Wiederaufbau der Kurpfalz und das Anwerben von Einwohnern eine der wichtigsten Aufgaben des Landesherrn. Carl Theodor setzte die Politik seiner Vorgänger fort und unter seiner Herrschaft verwandelte sich Frankenthal von einer „armen Stadt“, die „noch in ihren Ruinen lag“, schrittweise in eine „Fabriquenstadt“. Dies geschah durch die Gründung und Ansiedlung von über zwanzig Manufakturen, die in erster Linie die für die Hofhaltung benötigten Produkte herstellen sollten. Darunter befanden sich u.a. eine Woll- und Tuchmanufaktur (1760), eine Seidenmanufaktur (1765), eine Dosen- und Etuifabrik (1760), eine Tabakmanufaktur (1763), eine Puder- und Stärkefabrik (1771) und sogar eine Spielkartenfabrik (1771). Am bedeutendsten und bekanntesten war aber die Porzellanmanufaktur (1755), in der das berühmte „weiße Gold aus Frankenthal“ hergestellt wurde. Kriegsbedingt gab es in und um Frankenthal genügend freie Flächen und leerstehende Gebäude, um eine solche Vielzahl an Fabriken anzusiedeln. Ihre Gründung zog Facharbeiter aus ganz Europa an. Die systematische Förderung und Gewährung von Privilegien vor allem für Fabrikanten, ja sogar die Schaffung eines eigenen Fabrikenstandes, der von sämtlichen Abgaben befreit war und direkt einer vom Kurfürsten gegründeten Kommission unterstand, machte diesen Aufschwung möglich. Dies war ein Novum in der Pfalz und hatte Modellcharakter. Die Beschäftigten der Porzellanfabrik hatten sogar eine Krankenkasse und waren pensionsberechtigt. So wurde Frankenthal zum wirtschaftlichen Zentrum der Kurpfalz und der Wirtschaftspolitik Carl Theodors, und obendrein zur dritten Hauptstadt der Kurpfalz neben Heidelberg und Mannheim. 

Die Woll- und Tuchmanufaktur (1742 - 1794?)

Das Wollgewerbe war bereits in der 2. Hälfte des 16. Jh. bis nach dem Dreißigjährigen Krieg in Frankenthal stark vertreten gewesen, aber im Pfälzischen Erbfolgekrieg zum Erliegen gekommen. Carl Theodor war bemüht, diesen Wirtschaftszweig wiederzubeleben und versprach 1742 in den Stadtprivilegien eine Walk- und Mangmühle. Das ehemalige Lazarett wurde für eine (Wollen-) Zeugfabrik zur Verfügung gestellt. Die Manufaktur schwächelte jedoch, was auch durch den anfangs ständigen Wechsel der Betreiber bedingt war. Carl Theodor musste sie schließlich übernehmen und innerhalb von 14 Monaten fast 24 600 Gulden in sie investieren. Am 1. März 1770 wurde sie dem Neustadter Kaufmann Johann Jakob Speyerer und zwei weiteren Gewerkschaftern übertragen. 1771 waren 6 Meister, 41 Gesellen, 32 Frauen und 50 Kinder in der Fabrik beschäftigt, außerdem 124 Spinnerinnen innerhalb der Stadt. 1775 betrug die Anzahl der Beschäftigten mit Familie 639 Personen. Am 20. März 1777 übertrug Carl Theodor die Fabrik an die neue private Gesellschaft „Kurfürstliche Wollenzeug- und Tuchmanufaktur Speyerer & Co“. Auch die von Daniel Bechtel 1760 gegründete Tuchmanufaktur wurde an die neue Gesellschaft übergeben. Joseph Fontanesi beklagte sich allerdings über die schlechte Entlohnung der Weber durch Speyerer und nannte ihn den „abscheulichsten Menschen, den die Erde tragen kann“. Nach der Übersiedlung des Hofes nach München 1788 ging es mit der Tuchmanufaktur jedoch schrittweise bergab. Speyerer floh vor dem Einmarsch der französischen Truppen nach Heidelberg, doch wann genau der Betrieb eingestellt wurde, ist nicht bekannt.

Die Porzellanmanufaktur und das „weiße Gold aus Frankenthal“ (1755-1799)

Die bedeutendste wirtschaftliche und kulturelle Leistung Carl Theodors in Bezug auf Frankenthal aber war die Gründung der Porzellanmanufaktur. Am 26. Mai 1755 erteilte er dem erprobten Porzellanfabrikanten Paul Anton Hannong (1700-1760) aus Straßburg die Genehmigung, eine solche Fabrik in Frankenthal zu errichten. In der leerstehenden Dragonerkaserne konnten die Arbeiter aus Straßburg den Betrieb sofort aufnehmen. Die Manufaktur sollte 45 Jahre Bestand haben und ihre kunstvollen Erzeugnisse an sämtliche Fürstenhöfe in Europa exportieren. Das „weiße Gold aus Frankenthal“ war ein bedeutendes Markenzeichen der Stadt und ist noch heute von besonderem Kunstwert. Es bestand vor allem aus Geschirr und Gerätschaften für die gesteigerte Esskultur jener Tage, ebenso wie aus Figuren und Figurengruppen, die auf den festlichen Tafeln platziert wurden. Das Dekor reichte von schlichter Blaumalerei bis hin zu reich vergoldeten und bemalten Prachtausgaben. 1756 besuchte Carl Theodor persönlich die Manufaktur und bestellte Waren im Wert von 25.000 Gulden, auch für seine eigene Hofhaltung. 1757 wurden sogar Arbeiter aus der Porzellanmanufaktur Meißen aufgenommen. Sieben Jahre lang war das Unternehmen im Besitz der Familie Hannong, doch ab 1761 geriet es in eine wirtschaftliche Krise. Es litt „mit dicken rothen Backen an der Schwindsucht“, wie ein technischer Beamter der Manufaktur es seinerzeit formulierte. Gründe dafür waren hohe Außenstände und die schlechte Vermarktung. Hannong musste sie 1762 schließlich an Carl Theodor verkaufen. Die Manufaktur arbeitete 37 Jahre lang unter kurfürstlicher Verwaltung und beschäftigte bis zu 100 Mitarbeiter. 1762-1770 erlebte sie ihre technische Glanzzeit und konnte 1776 in zahlreichen deutschen und europäischen Städten Magazine eröffnen. 1794 sorgte der Einmarsch der französischen Revolutionstruppen vorübergehend für einen Produktionsstopp. Die Waren wurden beschlagnahmt und die Manufaktur verkauft. Im Todesjahr von Carl Theodor, 1799, musste die Produktion schließlich eingestellt werden. Das offizielle Ende der Manufaktur erfolgte am 27. Mai 1800 durch ein Dekret von Carl Theodors Nachfolger Kurfürst Max Joseph. Allerdings wurden mit den vorhandenen Frankenthaler Formen vom Ende des 19. bis Anfang des 20. Jh. noch Figuren nachproduziert und mit der CT-Marke und dem Nymphenburger Rautenschild versehen. Von allen großen deutschen Manufakturen wies Frankenthal die geringste Lebensdauer auf, mit einer Produktionszeit von nur 44 Jahren. Dennoch zählt sie neben Meißen zu den bedeutendsten Porzellanmanufakturen in Deutschland.

Der Kanalhafen und der Frankenthaler Kanal (1772-1781)

Auch der Bau eines Hafens mit einem Verbindungskanal zum nahen Oberrhein diente wirtschaftlichen Zwecken und war ein sehr ehrgeiziges Projekt, das fast zehn Jahre in Anspruch nahm. Im Laufe des Mittelalters hatte sich der Rhein um etwa 4 km nach Osten verschoben, was den Handel für Frankenthal erschwerte. Bereits im 16. Jh. unter dem Pfalzgrafen Johann Casimir (1543-1592) gab es erste Pläne für den Bau einer Verbindungsstraße von Frankenthal zum Rhein. Die Bauarbeiten wurden durch die kriegerischen Wirren im 17. Jahrhundert allerdings stark beeinträchtigt und schließlich eingestellt. Erst im Zuge der Industrialisierung der Kurpfalz griff Joseph Fontanesi diese Pläne wieder auf. Ein Hafenbecken wurde im Osten der Altstadt unmittelbar außerhalb der alten Stadtmauer angelegt. Der Kanal erstreckte sich von Westen nach Osten und folgte der Abflusslinie des Fuchsbaches, der ins Hafenbecken eingeleitet wurde. Auch die Isenach wurde etwa 900 m östlich über einen eigens ausgehobenen Graben in den Kanal eingeleitet. Er hatte eine Länge von 4467 m, eine Breite von 8-19 m und eine Tiefe von 2m. Ein Highlight in der Geschichte dieser Wasserstraße war der Transport einer Kaiserglocke für den Kölner Dom im Jahr 1875. Sie gelangte auf einem der Kanalschiffe zum Rhein. Der Kanal wurde 1955 allerdings zugeschüttet und existiert heute nicht mehr. Nur ein Rückhaltebecken am Ort einer ehemaligen Schleuse und etwa 300m langes Teilstück vom Kanal sind noch erhalten. Vom Hafenbecken existiert noch die westliche Kaimauer aus massiven Sandsteinquadern und eine Inschrift, die den Erbauer und auch Fontanesi würdigt: „Pfältzer oder Fremdling, wenn du dieses liesest, wisse Karl Theodor ein Vatter und Kurfürst der Pfaltz und Baierlands vollendete dieses Werk 1781, durch Se. Churfürstlichen Durchlaucht getreue Franz Albr. Freyh. v. Oberndorff, Staats- und Konferenz-Minister, Joseph Fontanesi und Karl von Maubuißon, geheime Räthe, Jakob und Christoph Dyckerhoff Vatter und Sohn, Hofkammerräthe.“ Nach einer aufwendigen Sanierung wurde das Gelände 2011 in eine parkartige Anlage umgewandelt.

Das „Philanthropin für Frauenzimmer protestantischer Religion“ 

Anfang 1780 erfolgte durch ein kurfürstliches Privileg und mit der Unterstützung Fontanesis die Gründung des „Philanthropin für Frauenzimmer protestantischer Religion“, einer höheren Bildungsanstalt für junge protestantische Mädchen aus allen Teilen Deutschlands und des Auslands. Sie orientierte sich an den reformpädagogischen Grundsätzen des Philanthropismus nach Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) und der Aufklärung. Selbstständiges Denken und religiöse Toleranz waren wichtige Grundgedanken. Vorbild war eine ähnliche Einrichtung in Dessau, die 1774 als erste ihrer Art gegründet wurde. Das war insofern sehr fortschrittlich, da Mädchen im 18. Jahrhundert nur selten eine höhere Schulbildung erhielten. Damit war sie Deutschlands erste staatliche Höhere Töchterschule und der Vorläufer des heutigen Karolinen-Gymnasiums. Sie hatte einen großen Einfluss auf die Geschichte und Entwicklung der Mädchenbildung. Insbesondere Fontanesi war nach Kräften bemüht, die besten Lehrkräfte für die Schule zu gewinnen. 1782 wurde das Frankenthaler Philanthropin als staatliche Anstalt anerkannt und vom Kurfürsten privilegiert und finanziell getragen. Ab 1786 wurden auch katholische Schülerinnen zugelassen. Das Philanthropin wurde öfters durch einen Besuch Carl Theodors und seiner Gemahlin Elisabeth Augusta geehrt, u.a. 1782 und am 15. Juli 1785. Eine Schülerin, Mademoiselle von Emminghausen, trug in französischer Sprache die Huldigung vor und sprach u.a. folgende Worte: „Durchlaucht, Sie beehren heute mit Ihrer Gegenwart ein Haus, das Sie durch Ihre Freiheit und Gunst, die Sie schon immer große Taten vollbringen ließen, gegründet haben. Die Jugend, die Sie hier versammelt sehen und der größte Teil ihrer Landeskinder ist begeistert vom Ruf, durch welchen dieses Haus schon in ganz Deutschland berühmt geworden ist. Dies ist Ihr Werk; unsere Eltern haben uns vertrauensvoll hierhergeschickt, wo wir in der Tat alle Vorteile für unsere Erziehung finden. Aber wir sind auch ganz begeistert von der Schönheit des Landes. Wir vereinigen alle Annehmlichkeiten mit unserer Bestimmung … Möchten Sie noch lange glücklich leben für Ihren Staat“ Unter französischer Herrschaft wurde die Schule 1799 geschlossen, doch auf ausdrücklichen Wunsch der Bürger 1818 wieder neugegründet. Königin Karoline von Bayern (1776-1841) übernahm die Patenschaft für die neue Schule, die bis heute ihren Namen trägt.

Carl Theodor und die Religion: Rekatholisierungsversuche und Ernennung des Heiligen Joseph zum Patron der Kurpfalz und Frankenthals 

Auch im Bereich der Religion hat Carl Theodor zusammen mit Fontanesi die Stadt Frankenthal maßgeblich geprägt. Carl Theodor unterschied sich in religionspolitischen Fragen nicht wesentlich von seinen Vorgängern und verfolgte einen streng katholisch restaurativen Kurs. Fontanesi förderte die katholische Gemeinde und suchte gezielt nach Fachkräften aus dem katholischen Raum, die er im protestantischen Frankenthal ansiedelte - aus Seligenstadt, Italien und der Gegend von Lyon. So schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe und unterstützte gleichermaßen den wirtschaftlichen wie den religionspolitischen Kurs des Kurfürsten. 1751 erklärte Carl Theodor den Heiligen Joseph zum Schutzpatron der gesamten kurpfälzischen Lande und auf Anraten von Fontanesi auch zum Stadtpatron Frankenthals. Am 6. März 1753 wurde im Bistum Worms, zu dem Frankenthal damals gehörte, ein besonderes kirchliches Fest zu Ehren des Heiligen Josephs eingeführt. 1779 stiftete Fontanesi obendrein eine Statue zu Ehren seines Namenspatrons, die heute als älteste Heiligenstatue Frankenthals gilt. Es handelt sich um ein Werk von Johannes Matthäus van den Branden (1716-1788) aus Mannheim, eines Schülers von Paul Egell (1691-1752). Auf dem Sockel steht die Inschrift: „Hl. Joseph, Stadtpatron, bitte für uns“. Sie stand lange Zeit in einer kleinen Anlage am Speyerer Tor, wurde 1936 aber beschädigt und vom damaligen Stadtpfarrer und späteren Domherrn Dr. Haußner gerettet und restauriert. Später fand sie zusammen mit den beiden Löwen im Kirchengarten der neuerbauten Kirche St. Ludwig eine zweite Heimat. 1986 wurde sie erneut restauriert und steht nun in der Vorhalle der Kirche St. Ludwig, wo sie vor Wind und Wetter geschützt ist.


Autorin: Elisabeth Wietor, 2023

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