Eine Stadt wird braun. NS-Machtergreifung in Frankenthal 1933
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler, der Führer der NSDAP, von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus Nationalsozialisten, Deutschnationaler Volkspartei und Stahlhelm ernannt. In den folgenden Wochen nutzten er und seine Partei ihre neue Machtposition, um ihren Einfluss immer mehr auszuweiten. Am Ende dieses Prozesses stand die Zerstörung der Demokratie, die Uniformierung der deutschen Gesellschaft, die Herrschaft einer totalitären Partei, die Verfolgung und Terrorisierung Andersdenkender und schließlich der Zweite Weltkrieg, der von Hitler von Anfang an geplant war, und die Ermordung von Millionen Juden.
Was im Frühjahr 1933 in Frankenthal geschah, wie die Nationalsozialisten hier die Macht ergriffen und die städtische Gesellschaft durchdrangen, politische Gegner verfolgten, die Bürgermeister zum Rücktritt zwangen, missliebige Beamte entließen, den Stadtrat nach ihren Vorstellungen umbildeten, die demokratischen Parteien verboten oder zur Selbstauflösung zwangen, die Arbeitersport- und Arbeiterkultuvereine auflösten und alle anderen Vereine "gleichschalteten", wie man die Ersetzung nicht genehmer Vereinsvorstände durch NSDAP-Mitglieder oder NSDAP-Sympathisanten nannte, wird in der untenstehenden Chronik dokumentiert. Tag für Tag, jeweils das Ereignis, das auf den Tag genau vor 80 Jahren geschah.
Für eine größere Bildansicht und einen beschreibenden Bildtitel, klicken Sie bitte auf die Abbildung.
Januar 1933
29. Januar 1933
Demonstrationszug von über 2.500 SA- und SS-Mitgliedern sowie Angehörigen der Hitler-Jugend aus Frankenthal, Ludwigshafen und Worms durch die Straßen der Stadt. Am Marktplatz, dem heutigen Rathausplatz, marschieren sie am pfälzischen Gauleiter Josef Bürckel (im Auto) vorbei. Der Aufmarsch, so berichtet die "Frankenthaler Zeitung", hat eine große Menschenmenge, "auch von auswärts", angelockt.
31. Januar 1933
Die "Frankenthaler Zeitung" und das "Frankenthaler Tageblatt" berichten über die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, ohne allerdings selbst zu kommentieren.
Februar 1933
1. Februar 1933
Appell der Frankenthaler Ortsgruppe des Stahlhelm, eines rechtsradikalen, paramilitärisch organisierten Wehrverbandes, im "Münchner Kindl". Ortsgruppenführer ist der Studienrat und Künstler Martin Jais. Allgemeiner Tenor: Deutschland müsse sich durch "Kampf und Opfer" von der "Schande" des Versailler Vertrages befreien. Jais ist heute noch ein angesehener Künstler in Frankenthal. Seine rechtsradikale Vergangenheit wird meist verschwiegen! Er ist, wie wir noch sehen werden, allerdings nicht der einzige Frankenthaler Künstler, der 1933 bereitwillig mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitet.
2. Februar 1933
Die Frankenthaler Zeitungen melden die Auflösung des Reichstages durch den Reichspräsidenten, die dieser auf Wunsch Hitlers verfügt hat. Als Termin für die Neuwahl wird der 5. März 1933 bestimmt.
3. Februar 1933
Versammlung der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO), einer Nebenorganisation der NSDAP, in der Turnhalle am Foltzring, dem späteren Feierabendhaus. Der Referent, ein Nationalsozialist aus Kaiserslautern, spricht großspurig über die "Gesundung der Nation". Die Sozialdemokraten, so glaubt er zu wissen, hätten das Volk nur "ausgeplündert". "Wir wollen", so sein Fazit, "dass diese Volksverderber gehängt werden". "Reinheit, Sauberkeit und Ordnung sollen die Kennzeichen des neuen Staates sein". Na ja.
5. Februar 1933
Trotz der politischen und wirtschaftlichen Krise geht das Leben in Frankenthal zunächst in gewohnten Bahnen weiter - zumindest für jene, die es sich noch leisten konnten. Die vielen Arbeitslosen werden wohl weder die Kappensitzung im Braushauskeller noch das Kappenfest in Bahnhofhotel besucht haben.
7. Februar 1933
Der Wahlkampf kommt langsam auf Touren. Im Brauhauskeller findet eine Frauen-versammlung der NSDAP mit dem Titel "Die deutsche Frau und der Nationalsozialismus" statt. Referentin ist eine Frau Dr. Auerhahn aus Heidelberg. Sie polemisiert wie gewohnt gegen die Republik und die Demokratie, spricht von "13 Jahren ungeheurer Not" und fordert die "Herausnahme der Frau aus dem Beruf". Die Frau solle "gleichwertig" neben dem Mann stehen, aber nicht "gleichberechtigt". Ihre Aufgabe sei es in erster Linie, "die in den letzten 13 Jahren systematisch zerstörte Ehe wieder zur Keimzelle des Staates zu machen". In der Mode müssten die "kulturzerstörenden Auswüchse" beseitigt werden. Und schließlich: Es zeuge von der "Verkommenheit" vieler Frauen, wenn für 12 Millionen Mark Lippenstifte nach Deutschland eingeführt würden, "damit diese Frauen sich ein schönes Gesicht anmalen könnten."
9. Februar 1933
Der Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand, eine Organisation der NSDAP, veranstaltet eine Wahlversammlung. Es ist die dritte große nationalsozialistische Versammlung innerhalb einer Woche. Nach den Arbeitern am 3. Februar und den Frauen am 7. Februar werden nun ganz gezielt mittelständische Handwerker und Händler angesprochen. Der Tenor ist immer der gleiche: "Deutschland muss frei werden vom Marxismus" und die "Volksgemeinschaft muss zur Tat werden", so der Redner des Abends, der Frankenthaler Lehrer Wilhelm Bösing.
10. Februar 1933
Eine öffentliche Erwerbslosenversammlung, die im Nebenzimmer der Gaststätte "Zur Insel" in der Turnhallstraße stattfinden soll, wird verboten. "Die geplante Versammlung", so heißt es in der Begründung, "hat zweifellos politischen und vorwiegend kommunistischen Charakter". Sie stelle eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit" dar. Die Veranstalter versuchten, die Erwerbslosen "zu einer Masse zusammen zu bringen, um anschließend eine Demonstration veranstalten zu können".
Genehmigt wird dagegen ein Aufmarsch der Eisernen Front durch Mörsch. Der Zug endet am Stephansplatz, wo der Mutterstadter Sozialdemokrat Fritz Schalk über die schon bald bevorstehenden Wahlen spricht.
Hintergrund:
Die "Eiserne Front" ist ein Zusammenschluss von SPD, Gewerkschaften, "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" und Arbeiter-Turn- und Sportvereinen zum Kampf gegen den Nationalsozialismus. Das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" war 1925 von der SPD, der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP), die sich mittlerweile in Staatspartei umbenannt hatte, und der katholischen Zentrumspartei als Kampfverband zum Schutz der Republik gegründet worden, bestand aber seit Ende der zwanziger Jahre fast ausschließlich aus Sozialdemokraten, nachdem die DDP zu einer unbedeutenden Splitterpartei herabgesunken war und sich das Zentrum weitgehend zurückgezogen hatte.
11. Februar 1933
In Flomersheim veranstaltet die SPD in der Gaststätte "Pfälzer Hof" eine öffentliche Ver-sammlung, an der circa 200 Personen teilnehmen. Einziger Redner ist der Ludwigshafener Sozialdemokrat Oskar Vongerichten. "Irgendwelche Störungen", so heißt es im Bericht der Polizei, "sind nicht vorgekommen".
Die von der Sozialistischen Arbeiterjugend Flomersheim geplante Veranstaltung mit der Revue-Gruppe "Roter Pfeil" aus Oppau muss ausfallen, da die Gruppe nicht rechtzeitig in Flomersheim eintrifft.
12. Februar 1933, vormittags
In der St. Dreifaltigkeitskirche weiht Dekan Philipp Haußner die neue Fahne der Pfalzwacht . In seiner Predigt weist Haußner auf die Verdienste der katholischen Kirche für Deutschland hin. Im Anschluss an die Weihe findet im Saal der Gaststätte "Zur Ax" in der Speyerer Straße eine "vaterländische Kundgebung" statt.
Die Pfalzwacht ist eine Wehrorganisation der beiden katholischen Parteien Zentrum und Bayerische Volkspartei (BVP). Sie wurde 1931 gegründet und soll die Veranstaltungen der beiden Parteien gegen Übergriffe politischer Gegner schützen.
12. Februar 1933, nachmittags
Die Eiserne Front marschiert vom VT-Heim, das sich damals an der Mörscher Straße befindet, durch die Straßen der Stadt zum Paradeplatz, dem heutigen Röntgenplatz, wo der Berliner Reichstagsabgeordnete und Sozialdemokrat Kurt Gäbler dann zu einer großen Menschenmenge spricht. Er fordert die Anwesenden zum "Kampf für die sozialen, politischen und kulturellen Rechte der arbeitenden Klasse" auf. Insgesamt besteht der Zug aus 1.200 Teilnehmern, 350 davon in Reichsbanneruniform. An den Straßen, die er passiert, stehen die Menschen dicht aneinander gedrängt. Immer wieder hört man den Ruf "Freiheit".
13. Februar 1933
Die "Frankenthaler Zeitung" veröffentlicht den Geschäftsbericht 1931/1932 der Frankenthaler Firma Kühnle, Kopp & Kausch (KKK). Darin heißt es: "Das 34. Geschäftsjahr hat im Verlauf der Wirtschaftskrise einen weiteren Rückgang des Umsatzes um rund ein Drittel gebracht (…) Die Handlungs- und Betriebsunkosten wurden um 274.000 RM herabgemindert, was leider einen weiteren Abbau von Beamten und Arbeitern unabwendbar machte."
Hintergrund
Am 1. Juli 1929 betrug die Zahl der Arbeitslosen und ihrer Angehörigen in Frankenthal 1.726. Von der städtischen Fürsorge wurden 743 Personen unterstützt. Nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 verschärfte sich die Lage dramatisch. Am 1. Oktober 1930 lag die Zahl der Arbeitslosen und ihrer Angehörigen bereits bei 4.688, die der aus allgemeinen städtischen Mitteln unterstützten Personen bei 2.192. Insgesamt hatte Frankenthal 1930 26.439 Einwohner. Mehr als 26 Prozent von ihnen waren also auf Arbeitslosen- oder Fürsorgeunterstützung angewiesen.
14. Februar 1933
Es schneit. In den Capitol-Lichtspielen in der Speyerer Straße 28 läuft "Tarzan. Der Herr des Urwalds". Ein "Abenteuer von atemberaubender Spannung" mit dem "Schwimmwunder Jonney (!) Weißmüller" als Tarzan, "Urwaldszenen von grandioser Schönheit" und "Tieraufnahmen, wie sie in gleicher Pracht noch nie gezeigt wurden". Als Vorfilm ist "Die musikalische Kiste" mit Dick und Doof zu sehen.
15. Februar 1933
80 bis 100 uniformierte SA-Männer marschieren am Abend durch die Stadt. Ausgangspunkt ist der Brauhauskeller, das Parteilokal der Frankenthaler NSDAP. Von dort geht es durch die Lambsheimer Straße, die Hannongstraße, die Goethestraße, die Flomersheimer Straße, die Speyerer Straße und die Bahnhofstraße wieder zurück zum Brauhauskeller. Der Zug ist nicht angemeldet, die Polizei schreitet aber trotzdem nicht ein, da die "nötigen Polizeikräfte" nicht zur Verfügung stehen und man eine Auseinandersetzung mit den SA-Männern scheut.
17. Februar 1933
Die Frankenthaler NSDAP will im Brauhauskeller eine öffentliche Wahlversammlung abhalten. Da sie – ähnlich wie der Aufmarsch zwei Tage zuvor – nicht angemeldet ist, verbietet sie die Polizei, lässt aber eine nichtöffentliche Mitgliederversammlung der Partei zu. An ihr nehmen 250 Personen teil. Zu Beginn der Versammlung wird die Rede Hitlers aus der Westfalenhalle in Dortmund übertragen. Danach ist der Redner des Abends, ein Lehrer namens Siebert aus Neustadt, an der Reihe. Er wiederholt, was in allen NSDAP-Versammlungen zu hören ist und spricht vom "Kampf gegen den Marxismus", vom "Verrat und der Schande der letzten 14 Jahre", vom "Endkampf ums Dritte Reich" und von der "Lüge der Völkerverständigung".
19. Februar 1933
Heute greifen zum ersten Mal auch die bürgerlichen Parteien in den Wahlkampf ein, der bislang sehr stark von der NSDAP geprägt wird. In der Turnhalle am Foltzring veranstalten die beiden katholischen Parteien Zentrum und BVP eine Wahlversammlung mit dem ehemaligen Reichsarbeitsminister und ehemaligen preußischen Ministerpräsidenten Adam Stegerwald. Vor seinem Eintreffen spielt die Musikkapelle der katholischen Vereine unter Leitung von Taubstummenlehrer Karl Huther. Danach marschiert die Pfalzwacht ein und nimmt vor der Bühne Aufstellung. Die Wahl, so Stegerwald in seiner Rede, werde von Hitler und seinen Koalitionspartnern gegen Zentrum und BVP geführt, "weil man den politischen Katholizismus seiner Geltung berauben und ihn beiseiteschieben wolle". Die "Rechtsgruppen", die nun die Regierung bilden, führten einen "Klassenkampf von oben".
20. Februar 1933
Am Abend findet in der Gaststätte Cloßmann in der Bahnhofstraße eine Wahlversammlung der Deutschen Staatspartei statt. Die linksliberale Partei ist 1918 als Deutsche Demokratische Partei gegründet worden und hat sich stets zur Demokratie, zum Parlamentarismus und zur Weimarer Republik bekannt zu, ist mittlerweile aber zu einer absoluten Splitterpartei herabgesunken. Vorsitzender Frankenthaler Ortsgruppe, die nur noch wenige Mitglieder hat, ist der Angestellte Adam Kroll, nach 1945 Mitbegründer der Frankenthaler CDU und Beigeordneter.
Die KPD verteilt in der Stadt die hektographierte Zeitung "Roter Bote Frankenthal", in der sie gegen die NSDAP agitiert, aber auch die SPD mit den Nationalsozialisten gleichsetzt und sie als "Sozialfaschisten" und ihre Führer als "Bonzen" verunglimpft.
21. Februar 1933
Die nationalsozialistische NSBO veranstaltet im Brauhauskeller eine öffentliche Versammlung, die von 200 Personen, die Hälfte davon Frauen, besucht wird. Frauen nehmen deshalb in so großer Zahl teil, weil Dienstagabends im Brauhauskeller immer die "Strick- und Flickstunde" der NSDAP-Frauen stattfindet. Nur der Nationalsozialismus, so die simple Botschaft des Redners der Versammlung, des Schlossers Luckenbach aus Ludwigshafen, könne dem Deutschen Reich eine bessere Zukunft bringen.
Am selben Abend versammeln sich die Anhänger des Christlich-Sozialen Volksdienstes (CSVD), einer stark christlich-protestantisch-konservativ geprägten Partei, in der Gaststätte "Ax" in der Speyerer Straße. Die Ursache der Wirtschaftskrise, so der Redner, Studienrat Risch aus Speyer, sei die "Entfernung Gottes aus dem Erwerbs- und öffentlichen Leben und die Anbetung des Mammons". Führer des CSVD in Frankenthal ist der bekannte Sattlermeister und Presbyter Jakob Schatz.
22. Februar 1933
Im Lokal Brunner hält die Pfalzwacht in Anwesenheit von Dekan Haußner einen weiteren "Vaterländischen Abend" ab. Gezeigt wird ein Lichtbildervortrag über die Wehrmacht. Zu Verfügung gestellt hatte die Bilder und den "Vorführungsapparat" die Vereinigte Kriegerkameradschaft Frankenthal.
23. Februar 1933
In Mörsch wird eine Ortsgruppe der Pfalzwacht gegründet.
24. Februar 1933
Zentrum und Bayerische Volkspartei veranstalten in Mörsch eine Wahlversammlung mit dem Ludwigshafener Reichstagsabgeordneten Hermann Hofmann, der zur Verteidigung der Demokratie und der Republik gegen die Nationalsozialisten und ihre rechten Koalitionspartner aufruft.
26. Februar 1933
Im Saal der Gaststätte "Zur Insel" in der Turnhallstraße veranstaltet die Frankenthaler Ortsgruppe der "Internationalen Arbeiterhilfe", eine der KPD nahestehende Organisation, eine öffentliche Versammlung. Da aber nur 12 Personen anwesend sind, wird die Versammlung verschoben.
Ebenfalls am 26. Februar 1933
SA- und SS, insgesamt 700 bis 800 Mann, darunter eine Reiterstaffel, organisieren einen Propagandamarsch. Ausgangspunkt ist Ruchheim. Als sie in Eppstein an der Gaststätte Müller vorbeimarschieren und dort den uniformierten Pfalzwachtmann Jakob Müller, einen Bruder des Wirts, sehen, kommt es zu einem heftigen Wortgefecht. Daraufhin dringen Nationalsozialisten in die Gaststätte ein. Müller und seinen Bruder fliehen, werden aber gestellt und brutal zusammengeschlagen.
Zwischen Eppstein und Flomersheim kommt den SA- und SS-Männern dann ein Trupp der Frankenthaler Pfalzwacht entgegen. Erneut kommt es zu verbalen Auseinandersetzungen, die schließlich in eine Massenschlägerei ausarten. Die Pfalzwachtleute werden von der SA-Reiterstaffel in die Isenach getrieben, viele von ihnen ebenfalls brutal misshandelt. Während es in den letzten zwei Jahren immer wieder Auseinandersetzungen und Schlägereien zwischen Nationalsozialisten und Mitgliedern der Arbeiterparteien gegeben hat, sind nun zum ersten Mal Mitglieder einer katholischen Organisation Ziel des nationalsozialistischen Terrors.
27. Februar 1933, 8 Uhr abends
In Flomersheim findet in der Gaststätte Hauck eine öffentliche Versammlung der KPD statt, an der etwa 100 Personen teilnehmen. Redner ist der Kellner Heinz Bernhard aus Ludwigshafen. Er fordert zur Wahl der KPD auf. In Deutschland und der übrigen Welt müssten die Arbeiter hungern, so betont er, in Russland sei dies anders. Dort gebe es keine Arbeitslosigkeit.
27. Februar 1933, 8:30 Uhr abends
Die NSDAP veranstaltet im Brauhauskeller eine weitere Mittelstandkundgebung. Sie steht unter dem Motto: "Mittelständler! Deine Rettung – nur Adolf Hitler!" Noch während der Kundgebung geht Hans Scholl, der Vorsitzende der Frankenthaler NSDAP, ans Mikrofon und teilt den Anwesenden mit, dass in Berlin der Reichstag brenne und man Brandstiftung vermute.
28. Februar 1933
Die Frankenthaler Zeitungen berichten über den Brand des Reichstages und die Verhaftung des holländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe, der beschuldigt wird, den Brand gelegt zu haben. Ob er es wirklich war, ob er Alleintäter war oder im Auftrag anderer handelte, ist bis heute ungeklärt und immer wieder Gegenstand von Kontroversen.
Die Nationalsozialisten nutzen die Gelegenheit aber geschickt aus. Noch am gleichen Tag wird die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat", die sogenannte "Reichstagsbrandverordnung", erlassen, mit der die Grundrechte der Weimarer Verfassung praktisch außer Kraft gesetzt werden und die Verfolgung der politischen Gegner der NSDAP durch Polizei und SA legalisiert wird.
Die Reichstagsbrandverordnung ist nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der Auflösung des Parlaments die nächste wichtige Etappe auf dem Weg zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.
März 1933
1. März 1933
Der Wahlkampf geht in seine Endphase. Die Abteilung Kriegsopferversorgung der Frankenthaler NSDAP organisiert im Brauhauskeller eine Kriegsopfer-Versammlung. Der Redner, ein Herr Schickedantz aus Kaiserslautern, verspricht, dass sich die Regierung Hitler "segensreich" auf die Kriegsopfer auswirken werde.
2. März 1933
Bei den Frankenthaler Kommunisten Ludwig Westermann, Emil Weiss und Heinrich Berger führt die Polizei Hausdurchsuchungen durch und beschlagnahmt zahlreiche Plakate, Zeitungen, Handzettel und Bücher. Rechtliche Grundlage ist die Reichstagsbrandverordnung.
2. März 1933 abends
Beim Katholischen Frauenbund Frankenthal spricht die Landtagsabgeordnete der BVP Klara Barth aus Ludwigshafen. Sie wirft Hitler vor, das deutsche Volk in "eine nationale und eine unnationale Front" zu zerreißen und fordert die anwesenden Frauen auf, am 5. März für die katholischen Parteien Zentrum und BVP zu stimmen.
3. März 1933
SPD, Reichsbanner und Eiserne Front beschließen ihren Wahlkampf mit einem Demonstrationszug durch Frankenthal und einer großen Versammlung in Pfisters Festhalle. Sie wird von 3.000 Menschen besucht und zeigt noch einmal, wie stark die Sozialdemokratie in Frankenthal organisiert ist. Redner ist der Reichstagsabgeordnete und Rechtsanwalt Friedrich Wilhelm Wagner aus Ludwigshafen, der auch an der Spitze des pfälzischen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold steht.
4. März 1933
Die NSDAP beendet den Wahlkampf mit einem Konzert der SA-Kapelle auf dem Marktplatz, der Übertragung von Hitlers Rede in Königsberg durch Großlautsprecher und einem Fackelzug durch die Stadt, an dem sich auch die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, das Bündnis aus Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und Stahlhelm, beteiligt.
Zu einem Zwischenfall kommt es im Neumayerring, wo aus dem Fenster eines Wohnhauses eine leere Bierflasche auf die vorbeimarschierenden Nationalsozialisten geworfen wird. Der Werfer, ein Fuhrmann, wird von der Polizei verhaftet.
5. März 1933
Der Wahltag verläuft ruhig. Es gibt keinerlei Zwischenfälle. Zwar wird die NSDAP auch in Frankenthal stärkste Partei vor der SPD und der gemeinsamen Liste von Zentrum und BVP. Mit 31,5% liegt sie aber deutlich unter dem pfälzischen und dem Reichsdurchschnitt.
Frankenthal Pfalz Reich
SPD 29,6% 16,8% 18,3%
Zentrum/BVP 16,5% 22,7% 13,9%
DVP 2,7% 1,2% 1,1%
Staatspartei 1,1% 0,6% 0,9%
NSDAP 31,5% 46,5% 43,9%
KPD 13,5% 9,0% 12,3%
Sonstige 5,1% 3,2% 9,3%
7. März 1933
Der Eppsteiner Bürgermeister Magin teilt dem Bezirksamt Frankenthal auf Anfrage mit, dass in Eppstein nie eine Ortsgruppe der KPD existiert hat und es im Ort auch keine "Kommunistenführer" gibt.
10. März 1933
Kurz nach Mitternacht suchen die Führer der Frankenthaler Nationalsozialisten Oberbürgermeister Strasser in seiner Wohnung auf und teilen ihm mit, dass die Reichsregierung einen Reichskommissar für Bayern bestellt hat und die NSDAP und ihre Koalitionspartner nun auch in Bayern die Macht übernehmen.
Am frühen Morgen werden von der Polizei, unterstützt durch die SA, die Führer der Frankenthaler SPD, der KPD, des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und die Betriebsratsvorsitzenden der großen Frankenthaler Fabriken verhaftet. Die gesamten Frankenthaler SA- und SS-Stürme, insgesamt ca. 200 Mann, haben Bereitschaftsdienst.
Um 9:00 Uhr marschieren SA-, SS- und Stahlhelmeinheiten vom Brauhauskeller durch die Bahnhofstraße zum Rathaus, wo auf dem Balkon nach einer Rede des Lehrers Wilhelm Bösing unter den Klängen des Deutschlandliedes die Hakenkreuzfahne und die alte Reichsflagge Schwarz-Weiß-Rot gehisst werden. Danach werden auch an der Reichsbank, dem Finanzamt, der Heil- und Pflegeanstalt, der Bezirkssparkasse, der Post, dem Amtsgericht und dem Landgericht Hakenkreuzfahnen und die alten Reichsflaggen aufgezogen.
Den ganzen Tag über patrollieren Polizei, SA und Stahlhelm durch die Straßen der Stadt. Bei den jüdischen Möbelhäusern Abraham, Weil und Melzer werden von SA-Leuten die Transportautos requiriert. Um 17:00 Uhr erscheinen SA-Leute im jüdischen Warenhaus Tietz in der Wormser Straße und fordern die Schließung des Geschäftes. Nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung stimmt die Geschäftsleitung zu.
11. März 1933
Vertreter der Frankenthaler NSDAP fordern von Oberbürgermeister Strasser die sofortige Entlassung von Bürgermeister Jakob Zaun (SPD). Bleibe er im Amt, so argumentieren sie, könnten sie nicht mehr für Ruhe und Ordnung garantieren. Ihre Anhänger würden keinen sozialdemokratischen Bürgermeister mehr akzeptieren. Dass er demokratisch gewählt ist, interessiert sie dabei wenig. Strasser empfiehlt seinem Stellvertreter daraufhin, vorübergehend Urlaub zu nehmen. Zaun folgt seinem Rat.
Tietz öffnet das Geschäft wieder.
In der Synagoge gedenken die Frankenthaler Juden der Gefallenen des Ersten Weltkrieges.
12. März 1933
Bürgermeister Zaun, die Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiterverbandes, Christian Thumm und Georg Römuß, sowie mehrere Mitglieder des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold werden verhaftet.
Um 11:00 Uhr ziehen SA, SS und Formationen der NSDAP zum Friedhof, wo der Kaufmann Hans Scholl, der Vorsitzende der Frankenthaler NSDAP, einen Kranz mit Hakenkreuzschleife zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges niederlegt.
Am Abend marschieren SA, SS und Stahlhelm dann zum Marktplatz. Vor dem Rathaus werden die schwarz-rot-goldenen Fahnen, die zwei Tage zuvor bei den Behörden eingesammelt worden waren, unter dem Jubel einer "großen Menschenmenge" verbrannt.
Zur gleichen Zeit veranstalten auch die katholischen Vereine und Organisationen im Lokal Brunner eine "Kriegergedächtnisfeier" zur Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. In seiner Rede weist Bezirksjugendleiter Breyer darauf hin, dass auch die Katholiken während des Krieges ihre "nationale Pflicht in vollem Maße" erfüllt haben.
13. März 1933
Die Fahnen, die am 10. März auf dem Rathaus gehisst worden waren, werden von Abordnungen der SA, der SS und des Stahlhelm wieder eingeholt. Danach marschieren SA, SS und Stahlhelm zum Progymnasium und zu allen anderen Frankenthaler Schulen und hissen dort ebenfalls Hakenkreuzfahnen und die alte Reichsflagge.
Aus den SA- und SS-Einheiten, die seit dem 9. März in Bereitschaft stehen, werden 37 SS- und 27 SA-Männer ausgewählt und offiziell zu Hilfspolizisten ernannt. Hinzu kommen noch acht Vertreter des Stahlhelms.
14. März 1933
Der Frankenthaler Lehrer Wilhelm Bösing wird von SA-Pfalzkommissar Schwitzgebel zum Beauftragten der Obersten SA-Führung für die Stadt und das Bezirksamt (Landkreis) Frankenthal ernannt. Er wird beauftragt, die Arbeit der Stadtverwaltung und des Bezirksamtes zu überwachen. Als erste Amtshandlung ernennt Bösing den SA-Sturmbannführer Julius Reich zum Leiter der "Angelegenheiten der Hilfspolizei" für den Bereich der Stadt und des Bezirksamtes Frankenthal.
In der Nacht wird am Schlachthof die dort gehisste alte Reichsflagge von Unbekannten heruntergerissen.
15. März 1933
Der Stadtrat wird "beurlaubt".
Das Turnerheim der VT, das Athletenheim und das Haus der Naturfreunde werden auf Anordnung der kommissarischen Kreisregierung in Speyer geschlossen.
16. März 1933
Das Turnerheim wird von der SA besetzt. Mehrere Mitglieder der VT und der Sozialistischen Arbeiterjugend, die mit schweren Kupferdrahtkabeln bewaffnet sind, werden in der Nähe des Turnerheimes verhaftet und in den Keller des "Brauhauskellers" gebracht, wo sie über Nacht festgehalten werden. Sie müssen während der ganzen Nacht stehen. Dort treffen sie auf Mitglieder der Frankenthaler KPD, die von SA-Leuten schwer misshandelt worden sind.
17. März 1933
Der Vorsitzende des Fußballvereins Frankenthal, der jüdische Rechtsanwalt Ludwig Nachmann, legt wegen der "besonderen Verhältnisse", wie es im Protokollbuch heißt, sein Amt nieder.
18. März 1933
Die "Frankenthaler Zeitung" berichtet, dass sich in der Pfalz insgesamt 639 Personen in "Schutzhaft" befinden. 222 davon sind Mitglieder der KPD, 121 der SPD.
Auf Anordnung des Beauftragten der Obersten SA-Führung für die Stadt und das Bezirksamt (Landkreis) Frankenthal, Wilhelm Bösing, muss der zweite Bürgermeister von Eppstein, Pfeiffer (SPD), sein Amt niederlegen. Nachfolger wird der Zellenleiter der Eppsteiner NSDAP, Rudolf Stauffer.
21. März 1933
Der am 5. März gewählte neue Reichstag tritt in der Potsdamer Garnisonkirche zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen (Tag von Potsdam). Die Abgeordneten von SPD und KPD nehmen nicht teil. Das von Propagandaminister Goebbels publikumswirksam inszenierte Treffen an einem der zentralen Orte der preußischen Monarchie soll die Kontinuität vom Preußentum zur neuen Reichsregierung deutlich machen.
In Frankenthal sind viele Häuser beflaggt. Die in Potsdam gehaltenen Reden werden auf dem Marktplatz per Lautsprecher, die die Firma Helbig angebracht hat, übertragen.
In den Schulen finden Feiern statt, die Schüler tragen "vaterländische Gedichte" vor. Um 11 Uhr läuten die Glocken der protestantischen Kirche. Am Abend zieht ein Fackelzug durch die Stadt. Am Wormser und Speyerer Tor leuchten Hakenkreuze aus elektrischen Birnen. Beteiligt am Aufmarsch sind die SA, die SS, die HJ, die Stahlhelmkapelle, die SA-Kapelle, die Stadtkapelle, die Kriegerkameradschaft, der Krieger- und Militärverein, die Sanitätskolonne, der Jägerverein, die Marinekameradschaft, Post, Eisenbahn und Feuerwehr, der Turnverein, die Turnergesellschaft, der Ruderverein, der Kanuklub, der ADAC, der Reit- und Fahrverein und Schüler des Progymnasiums und der Realschule. Eine Versammlung in Pfisters Festhalle beschließt den Abend.
22. März 1933
16 Frankenthaler, die seit dem 10. März in "Schutzhaft" genommen wurden, werden wieder freigelassen. Heinrich Müller, der Führer des Frankenthaler Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, der ebenfalls freigelassen wird, wird umgehend wieder verhaftet, da er sich beim Verlassen des Gefängnisses negativ über die Reichsregierung äußert. Neu in "Schutzhaft" wird der jüdische Rechtsanwalt Dr. Robert Blum genommen.
23. März 1933
Anhänger der NSDAP stürmen das Arbeitszimmer von Oberbürgermeister Strasser im Rathaus und fordern ihn zum Rücktritt auf. Nach Rücksprache mit der kommissarischen Regierung in Speyer wird Strasser vorläufig beurlaubt. Zum kommissarischen 1. Bürgermeister wird der Amtsgerichtsrat Dr. Walther Stepp und zum kommissarischen 2. Bürgermeister der Stadtinspektor Eduard Reidenbach, beide seit langem Mitglieder der NSDAP, ernannt.
Danach ziehen die NSDAP-Anhänger zu den jüdischen Geschäften und fordern deren Schließung. Um "Ruhe und Ordnung" aufrechtzuerhalten, werden die Geschäfte auf Anordnung vom Beauftragten der Obersten SA-Führung, Lehrer Bösing, geschlossen.
25. März 1933
Eduard Ristelhuber, der Leiter des nationalsozialistischen "Kampfbundes für deutsche Kultur" in Frankenthal wird beauftragt, alle Veranstaltungen des Volksbildungsvereins und das Programm der beiden Frankenthaler Kinos zu überwachen, damit, wie es heißt, "eine einheitliche kulturelle Arbeit dieser Einrichtungen im Sinne und Geiste des neuen Deutschland gewährleistet wird.
Die Pfalzwacht, die Selbstschutzorganisation der beiden katholischen Parteien Zentrum und BVP, wird verboten.
24. März 1933
Oberstudiendirektor Karl Kleiber von der Karolinenschule, Oberbaurat Emil Gotthold von der Stadtverwaltung und Direktor Wilhelm Christ von den Städtischen Werken erklären sich nach einem Gespräch mit dem kommissarischen 1. Bürgermeister Stepp bereit, "freiwillig" auf einen Teil ihres Gehaltes zu verzichten.
Im Sitzungssaal des Rathauses werden 53 Hilfspolizisten aus den Reihen der SA, der SS und des Stahlhelm vereidigt.
26. März 1933
Der Lehrer und Künstler Martin Jais, Vorsitzender der Frankenthaler Ortsgruppe des rechtsradikalen "Stahlhelm", wird zum "Unterbevollmächtigten" für die Arbeitsämter und Orts- und Landeskrankenkassen im Bezirk Frankenthal ernannt. Er erhält den Auftrag, die Vorstandsmitglieder und Angestellten auf ihre "berufliche und politische Zuverlässigkeit" zu überprüfen.
Der Krieger- und Militärverein Frankenthal, der immerhin 422 Mitglieder hat, hält seine Generalversammlung ab und stellt sich in einer Resolution "geschlossen" hinter die neue Regierung "unseres großen Führers im Krieg Generalfeldmarschall von Hindenburg sowie unseres neuen Reichskanzlers Hitler". "Deutschland ist wieder deutsch", so der Vorsitzende Ludwig Bretz in seiner Rede.
27. März 1933
"Dem Wunsch weiter Bevölkerungsteile Rechnung tragend" werden in der Stadt und in Flomersheim Straßen und Plätze umbenannt. Aus dem Friedensring wird der Hindenburgring, aus der Karl-Marx-Straße die Bismarckstraße, aus der Johann-Fesser-Straße die Horst-Wessel-Straße, aus der Georg-Metz-Straße die Schlageter-Straße, aus dem Platz der Republik der Jahnplatz und in Flomersheim aus der Kleinfeldstraße die Jahnstraße und aus dem Platz am alten Kriegerdenkmal der Hindenburgplatz.
28. März 1933
In der Stadt werden Flugblätter gegen jüdische Geschäfte, Warenhäuser und den Konsumverein verteilt.
Der Bürgermeister von Eppstein, Georg Magin, Mitglied der katholischen Zentrumspartei, der seit 16 Jahren die Geschicke des Ortes leitet, legt sein Amt nieder.
29. März 1933
Vor den jüdischen Geschäften in Frankenthal stehen SA-Posten, die Schilder mit folgender Aufschrift tragen: "Solange im Ausland Juden gegen Deutschland hetzten, betritt kein Deutscher ein jüdisches Geschäft": Gleichzeitig ordnet Oberbürgermeister Stepp an, dass die städtischen Bediensteten und ihre Angehörigen nicht mehr in jüdischen Geschäften einkaufen dürfen.
Bernhard Sang, einer der bekanntesten Frankenthaler Sozialdemokraten und in den 20er Jahren zeitweilig Abgeordneter im bayerischen Landtag, der als Wohnungspfleger bei der Gemeinnützigen Baugesellschaft arbeitet, wird entlassen.
Das Bürgermeisteramt teilt mit: Berufsschuldirektor Fritz Scherer, Stadteinnehmer Heinrich Fuchs und Amtsrat August Fett haben "mit Rücksicht auf die derzeitigen Verhältnisse freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet."
30. März 1933
Beim Landgericht Frankenthal wird ein Sondergericht eingerichtet. Es ist zuständig für politische Delikte nach der sogenannten "Reichstagsbrandverordnung" vom 28.2.1933 und der "Heimtückeverordnung" vom 21.3.1933 und ist der Funktion nach eine Spezialkammer zur Ausschaltung politischer Gegner des NS-Regimes.
Die Hauptbuchhalter Jean Schlupp, Ludwig Weyland und Lorenz Drescher von der Stadtverwaltung werden eine Besoldungsgruppe zurückgestuft.
Die "Frankenthaler Zeitung" meldet: "Mit Rücksicht auf die in Erwerbslosenkreisen herrschende Notlage hat Polizeiinspektor Buhles seine beim Bezirksamt (Landratsamt) Frankenthal beschäftigte Tochter zugunsten einer Kriegerwaise freiwillig aus dem Beruf zurückgezogen."
April 1933
1. April 1933
In der Taubstummenschule wird ein neues Schulgebet eingeführt: "Lieber Gott, beschütze und segne uns und das ganze deutsche Volk. Gib dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler immer Gesundheit und Kraft zu ihrer schweren Arbeit. Beschütze unser liebes Vaterland vor allen Feinden. Bewahre uns vor Unglück."
3. April 1933
Der jüdische Augenarzt und Sanitätsrat Dr. Ernst Rahlson, der im Städtischen Krankenhaus seit Jahren die Augenabteilung betreut, wird "beurlaubt".
4. April 1933
Der Arbeiter-Samariterbund und die Freireligiöse Gemeinde Frankenthal werden durch Beschluss des kommissarischen 1. Bürgermeisters aufgelöst, die vorhandenen Vereinsvermögen beschlagnahmt. Als Grund wird angegeben, "daß die Mitglieder marxistischen Organisationen angehören oder solchen nahestehen und deshalb keine Gewähr gegeben ist, daß die Tätigkeit und die Ziele der beiden Vereine nicht gegen die Regierung gerichtet sind."
Der jüdische Landgerichtsrat Dr. Emil Rosenberg wird "bis auf Weiteres" beurlaubt.
In einer Versammlung des Volksbildungsvereins werden die beiden Lehrer Eduard Ristelhuber und Karl Kleiber beauftragt, die Reorganisation des Vereins in die Wege zu leiten. Der Verein will von nun an "ohne Vorbehalt am Wiederaufbau des deutschen Vaterlandes mitarbeiten".
In einer Versammlung des nationalsozialistischen "Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes", der in Frankenthal bereits 300 Mitglieder hat, werden folgende Forderungen aufgestellt: Einstellung des Wurstverkaufs in den Warenhäusern, Auflösung der Konsumbäckereien, Beseitigung der Zigarettenautomaten in den Gaststätten, Beseitigung des städtischen Fuhrparks.
In einer Vorstandssitzung der Freiwilligen Feuerwehr gibt Kommandant Klingel bekannt, dass der Abteilungsführer Vogtländer am 20. März sein Amt wegen seines hohen Alters zur Verfügung gestellt hat. "Die nationalsozialistische Umwälzung", so Klingel weiter, "habe alles hinweggefegt, was nicht national sei. Herr Vogtländer gehört aber der Sozialdemokratischen Partei an. Das war wohl der tiefere Grund für seine Amtsniederlegung". Es müsse aber anerkannt werden, "daß Herr Vogtländer, obwohl er einer anderen politischen Partei angehört habe, innerhalb der Wehr stets neutral war und dem allgemeinen Interesse gedient hat".
5. April 1933
Der Beauftragte für die Volksbücherei der Stadt Frankenthal, Eduard Ristelhuber, teilt mit: "Es war dringend notwendig die hiesige Volksbücherei einer gründlichen Durchsicht zu unterziehen. Wie in anderen Orten mußte dabei auch bei der Frankenthaler Volksbücherei die Feststellung gemacht werden, daß das gute und völkische Schrifttum in einer so bescheidenen Zahl vorhanden ist, daß es notwendig erscheint, nun das nachzuholen, was Herr (Bürgermeister) Zaun als Vorsteher der Volksbücherei bisher absichtlich versäumt hat. Deshalb wurde alle pazifistische und marxistische Literatur sowie die höchst zweifelhaften Erzeugnisse jüdischer Schreiberlinge sofort entfernt und die Bahn endlich frei gemacht für die Werke, die uns die Führer und Gestalter des Dritten Reiches in den letzten 14 Jahren geschenkt haben." Im Lesesaal der Bücherei wird anstatt der "Frankfurter Zeitung" – "dieses jüdische Weltblatt" – künftig der "Völkische Beobachter" ausgelegt. "Das Volk", so Ristelhuber abschließend, "soll erkennen, daß die deutsche Revolution marschiert und daß dem Gedanken Adolf Hitlers allmählich in allen Institutionen eine Gasse geschaffen wird."
6. April 1933
Für das Arbeitsbeschaffungsprogramm "Ableitung der Abwässer in den Neurhein" erhält die Stadt Frankenthal vom Staatsministerium des Inneren in München 500.000 Reichsmark.
7. April 1933
Der Frankenthaler Stadtrat wird auf der Basis des Frankenthaler Wahlergebnisses der Reichstagswahl vom 5. März umgebildet. Grundlage ist das "Gesetz über die Gleichschaltung der Länder und Gemeinden mit dem Reich". Die NSDAP erhält 9 Sitze, die SPD ebenfalls 9, Zentrum und Bayerische Volkspartei 5 und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, der Zusammenschluss von DNVP und Stahlhelm, 1 Sitz. Die am 5. März für die KPD abgegebenen Stimmen werden nicht berücksichtigt.
Krankenhausdirektor Dr. Wolfgang Merckle verzichtet "freiwillig" auf einen Teil seines Gehaltes.
8. April 1933
Der Verein für Aquarien- und Terrarienkunde "Gasterosteus" stellt sich "freudigen Herzens voll und ganz hinter die Nationale Regierung" und beschließt in seiner Mitgliederversammlung in Zukunft bei Festlichkeiten neben "den ruhmreichen Farben Schwarz-weiß-rot" das Hakenkreuz zu hissen.
9. April 1933
Bei der Gründung der "Notgemeinschaft Pfälzer Künstler" in Neustadt wird der Frankenthaler Bildhauer Walther Perron in den Vorstand der Fachgruppe Bildhauer gewählt. Man beschließt, "endlich Schluß zu machen mit allem Volksfremden … und sich zu der Kunst Adolf Hitlers zu bekennen".
13. April 1933
Das Bürgermeisteramt teilt mit, dass es den Geschäften der Stadt von heute an verboten ist, den Kunden Rabatte oder Zugaben zum Einkauf zu gewähren. Dies hatten vor allem die größeren Geschäfte wie Tietz in der Wormser Straße oder der Kaufhof an der Ecke Wormser Straße und Ludwigstraße (heute August-Bebel-Straße) eingeführt und war von den kleineren Händlern und Geschäftsinhabern seit langem kritisiert worden. Die Abschaffung des "Rabatt- und Zugabewesens" gehörte zu den zentralen Forderungen des nationalsozialistischen "Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand".
18. April 1933
Der kommissarische 2. Bürgermeister Eduard Reidenbach (NSDAP) wird wegen einer Krankheit vier Wochen beurlaubt. In dieser Zeit führt der Kassierer der Kreis-Heil- und Pflegeanstalt Julius Klein, ebenfalls Nationalsozialist, die Geschäfte des 2. Bürgermeisters.
Der Frankenthaler Gastwirteverein tritt geschlossen dem nationalsozialistischen "Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand" bei.
19. April 1933
SA und Hitlerjugend führen in der Stadt eine Sammlung durch. "Die Spenden sollen unseren Erwerbslosen zugutekommen". 3000 Mark kommen zusammen.
20. April 1933
Im Saal von Fritz Christmann in Mörsch findet aus Anlass des Geburtstages von Hitler eine Versammlung der NSDAP statt. Unter den Rednern befindet sich auch der katholische Pfarrer Schwind. Hitler möge es gelingen, so sagt er, "sein begonnenes Werk zu vollenden."
21. April 1933
Hauptausschusssitzung des FV Frankenthal: "Es bedarf keiner besonderen Erwähnung", so heißt es im Protokoll der Sitzung, "daß der Fußballverein schon seit seiner Gründung national ist und diese nationale Einstellung bis heute bewahrt hat. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, daß wir uns heute erst recht hinter die nationale Regierung stellen."
Aus Anlass von Hitlers Geburtstag wird um acht Uhr abends ein Fackelzug durch die Stadt organisiert, an dem SA, SS und Stahlhelm teilnehmen. Die Stadttore sind beleuchtet, die meisten Häuser geflaggt. Vor dem Hotel Lang, in dem sich Hitler 1931 aufgehalten hatte, bevor er als Zeuge in einem Separatistenprozess vor dem Landgericht aussagen musste, macht der Zug Halt. Nach einer Rede des kommissarischen Bürgermeisters Dr. Walther Stepp, wird die Bahnhofstraße in Adolf-Hitler-Straße umbenannt. Sie sei die einzige Straße, die "des Führers Fuß schon betreten hat", so Stepp. Der Eintrag Hitlers in das Gästebuch des Hotels wird als Postkarte verkauft.
In den Union-Lichtspielen wird der Film "Blutendes Deutschland" gezeigt, der das "Entstehen und Werden der NSDAP bis zu ihrem großen Sieg" dokumentiert.
In der "Nationalen Notküche", die die Nationalsozialisten eingerichtet haben, werden "Festessen" ausgegeben und jedes Kind erhält extra noch eine Orange.
Am Vormittag hatte die erste Sitzung des Sondergerichts beim Landgericht stattgefunden. Der Kernmacher Friedrich Knell aus Oggersheim wurde wegen Besitzes einer Handgranate zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.
22. April 1933
Das Bürgermeisteramt gibt bekannt: "Aus Kreisen der nationalen Bevölkerung Frankenthals kommen Klagen darüber, daß noch einzelne Angehörige der städtischen Beamten und Angestellten ihre Einkäufe in jüdischen Geschäften oder im Konsumverein tätigen." Bürgermeister Stepp erwarte, dass die städtischen Beamten und Angestellten und ihre Angehörigen diese Geschäfte in Zukunft "meiden". Sollte dies nicht der Fall sein, würden sie "durch entsprechende Maßnahmen an ihre nationalen Pflichten" erinnert.
Im Rathaus tritt der Wahlausschuss für die Neubildung des Stadtrates zusammen. Grundlage der Sitzverteilung ist das Frankenthaler Ergebnis der Reichstagswahlen vom 5. März. Wahlvorschläge haben das Wahlbündnis aus NSDAP und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot sowie das Wahlbündnis der beiden katholischen Parteien Zentrum und Bayerische Volkspartei eingereicht. Die SPD, der eigentlich 9 Sitze zustehen, hat auf einen Wahlvorschlag – die Gründe sind nicht bekannt – verzichtet. Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: für die NSDAP und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 14 Sitze, für Zentrum und Bayerische Volkspartei 6 Sitze.
In Pfisters Festhalle findet ein "Deutscher Abend" der Frankenthaler NSDAP statt, bei dem noch einmal Hitlers Geburtstag gefeiert wird. Nicht immer, so Hans Scholl, der Ortsgruppenführer, in seiner Ansprache, seien die Veranstaltungen der NSDAP so gut besucht worden wie heute. Im Laufe des Abends wird eine Postkarte verkauft, die Hitler 1931 auf dem Weg ins Frankenthaler Landgericht zeigt, wo er als Zeuge aussagen musste.
25. April 1933
Den städtischen Beamten und Angestellten wird verboten, Mitglied einer Freimaurerloge zu sein.
Neue Bücher in der Stadtbücherei: Goebbels, Michael; Trenker, Der Rebell; Rosenberg, Mythos des 20. Jahrhunderts; Wendt, Hitler regiert; Schmidt-Pauly, Männer um Hitler; Czech-Jochberg, Hitler, eine deutsche Bewegung; Goebbels, Kampf um Berlin; Dommerfeldt, Hermann Göring; Ewers, Horst Wessel; Brand, Schlageter.
29. April 1933
Meisterschaftsfeier bei den Kickers Frankenthal. Der 1. Vorsitzende Johannes Gütermann weist darauf hin, dass der Verein durch "Idealismus und nicht durch semitische Spenden in die Höhe gekommen" ist.
Mai 1933
1. Mai 1933
Der 1. Mai wird von den Nationalsozialisten zum "Tag der nationalen Arbeit" und zum Feiertag erklärt. Er beginnt mit einem Gottesdienst in der St. Dreifaltigkeitskirche und einer Predigt von Dekan Haußner. Danach ziehen SS, SA, die Leitung der NSDAP, Post- und Bahnbedienstete, die Arbeiter und Angestellten von Albert, KSB, KKK, der Zuckerfabrik, von Balcke, des Brauhauses, der Behörden und der Stadt, die Siedler der Ostparksiedlung, der Freiwillige Arbeitsdienst, die Arbeitslosen und zahlreiche andere Gruppen durch die Stadt. Um zwei Uhr findet in der Festhalle eine große Maifeier statt. Vor der Halle sind Schieß- und Verkaufsbuden aufgestellt. Der Tag endet mit einem Fackelzug.
Während des Fackelzuges reißen zwei 19 Jahre alte Burschen, die Mitglieder des Reichsbanners waren, an mehreren Häusern in der Stadt Hakenkreuzfähnchen herunter. Sie werden verhaftet.
2. Mai 1933
Die Frankenthaler Schülerinnen und Schüler versammeln sich aus Anlass des gestrigen "Tages der nationalen Arbeit" auf den Schulhöfen, wo die Direktoren der Schulen in Ansprachen auf den "Wert der deutschen Arbeit" hinweisen. Es werden kostenlos Brezeln verteilt.
Der Geschäftsführer des Metallarbeiterverbandes, Christian Thumm, wird in "Schutzhaft" genommen.
Um zwei Uhr versammeln sich die Arbeiter und Angestellten aller Frankenthaler Firmen auf dem Marktplatz, wo ihnen die Übernahme der Freien Gewerkschaften durch die nationalsozialistische NSBO bekanntgegeben wird.
5. Mai 1933
Jahres-Hauptversammlung des FV Frankenthal. Der neugewählte Vorsitzende August Lang betont, dass der Fußballverein "rückhaltlos hinter der nationalen Regierung und ihrer Führung" steht. Die Einnahmen des Fußballspiels gegen Heidelberg-Rohrbach am 1. Mai werden der NSDAP gestiftet.
Im Capitol wird ab heute der Film "Schwarzhemden" über den Sieg des Faschismus in Italien gezeigt.
9. Mai 1933
Die Beschwerde des Kaufhauses Tietz gegen die Schließung der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses wird von der Speyerer Kreisregierung zurückgewiesen, "weil aus der Erbitterung weiter Volkskreise über die Fortführung dieser Verkaufsabteilung heraus Demonstrationen zu befürchten waren, wodurch die öffentliche Ruhe und Sicherheit in hohem Masse gefährdet erschien".
10. Mai 1933
Die Kriminalpolizei beschlagnahmt das Vermögen der Frankenthaler SPD.
12. Mai 1933
Schreiben des Sozialdemokraten Karl Riedel an seinen Parteifreund Karl Forthuber: "Lieber Freund, infolge der vorgestern verfügten Beschlagnahme des Gesamtvermögens der SPD und ihrer Presse ist praktisch jede weitere politischen Betätigung aufgehoben. Damit ist meine Dir gegenüber wiederholt geäußerte Ansicht von der Zwecklosigkeit der Weiterführung der Parteiarbeit vollkommen bestätigt worden. Als richtig gezeigt hat sich auch die von uns aufgrund dieser Auffassung geübte Passivität: Verzicht auf Kandidatenaufstellung [für den Stadtrat] und Einstellung der Unter[bezirks]kassierarbeit (…) Wir haben lange Jahre unermüdlich und unter Opfern für die Unterdrückten das Beste gewollt; mögen es jetzt andere mit größerem Erfolg tun! Finden wir uns mit dem Schicksal unserer Bewegung ohne Resignation ab; die Geschichte hat ihre eigenen Gesetze. Die Partei wird sterben – es lebe der Sozialismus".
14. Mai 1933
Die DJK Eppstein organisiert eine Wallfahrt nach Oggersheim. Als die Teilnehmer das Haus am Vorsitzenden der NSDAP-Zelle Rudolf Stauffer vorbeimarschieren, erheben sie geschlossen die Hände zum Zentrumsgruß "Treu Heil" und machen so die Wallfahrt zu einer offenen Demonstration für die katholische Zentrumspartei.
15. Mai 1933
Auf der Suche nach illegalem kommunistischem Material kontrolliert die Polizei sämtliche Frankenthaler Spediteure und Transportgeschäfte, wird aber nicht fündig.
Bei der Evangelisch-Protestantischen Vereinigung Frankenthal wird in Anwesenheit des Ortsgruppenleiters der NSDAP Scholl ein neuer Vorstand gewählt. Scholl betont, dass mindestens 51 Prozent der Vorstandsmitglieder Nationalsozialisten sein müssen.
17. Mai 1933
Eine Rede Hitlers wird von der Geschäftsstelle der "Frankenthaler Zeitung" per Lautsprecher übertragen.
Mitgliederversammlung des Turnvereins. Am Schluss singen die Anwesenden nach einem "herzlichen Sieg-Heil auf Reichspräsident v. Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler begeistert das Horst-Wessel-Lied".
20. Mai 1933
Auch der Festakt zur 150-Jahrfeier der Karolinenschule wird mit einem "dreifachen Sieg-Heil auf den Reichskanzler und den Reichspräsidenten" beendet.
22. Mai 1933
Der Frankenthaler Franz Hüther wird in "Schutzhaft" genommen. Er hatte 1923/24 die separatistische Bewegung unterstützt und war 1930 nach dem Ende der französischen Besatzung der Pfalz nach Frankreich emigriert, im Frühjahr 1933 aber nach Frankenthal zurückgekehrt.
26. Mai 1933
Der Hausbesitzerverein hält seine Mitgliederversammlung ab, in der der Verein "gleichgeschaltet" wird, wie die Ersetzung der alten Vorstandschaft durch NSDAP-Mitglieder oder NSDAP-Sympathisanten genannt wird.
27. Mai 1933
Sitzung des Frankenthaler Stadtrates. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Stepp ergreift Stadtrat Reich von der NSDAP das Wort und betont, dass im Stadtrat immer noch eine Frau – Maria Kraus von der Fraktion des Zentrums und der BVP – anwesend sei, nach Meinung der Nationalsozialisten Frauen aber "woanders hingehörten als in ein Parlament". Wenn Frau Kraus nicht ihr Mandat niederlege, boykottiere seine Fraktion die Sitzung. Maria Kraus verließ daraufhin die Sitzung.
29. Mai 1933
Das Arbeitgeberkartell wird gleichgeschaltet.
30. Mai 1933
Einigen Pensionären der Stadtverwaltung werden die Pensionen gekürzt. Der ehemalige Sparkassendirektor Knecht lehnt dies ab. "Die Kürzung wird dennoch durchgeführt" heißt es in einer Bekanntmachung der Stadtverwaltung.
Juni 1933
1. Juni 1933
Lichtbildervortrag der NSDAP im Horst-Wessel-Heim, dem ehemaligen Turnerheim der VT, das von der SA beschlagnahmt wurde. Es spricht "Pg." Wittmann von der Marinekameradschaft über die deutsche Hochseeflotte
2. Juni 1933
Die bisher existierenden zwölf Ausschüsse des Stadtrates werden auf sechs reduziert, um den "Aufwand an Arbeit, Zeit und Material" zu verringern.
7. Juni 1933
In Eppstein wird die DJK verboten, weil ihre Mitglieder fast alle den beiden katholischen Parteien Zentrum und BVP nahestehen und sich gegenüber der NSDAP "in provozierender Weise" verhalten hätten. So hätten sie sich in Anwesenheit von SA-Männern demonstrativ mit dem Zentrumsgruß "Treu-Heil" gegrüßt.
8. Juni 1933
Die Ortsgruppe Frankenthal des Pensionistenbundes wird gleichgeschaltet.
13. Juni 1933
Der kommissarische 2. Bürgermeister Reidenbach wird bis auf weiteres aus gesundheitlichen Gründen beurlaubt. Nachfolger ist der Rechtsanwalt Dr. Straub.
21. Juni 1933
Protestversammlung der NSDAP, der NSBO und des Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand gegen die international Arbeitskonferenz in Genf, bei der eine Resolution gegen das NS-Regime verabschiedet worden war.
22. Juni 1933
Bei den führenden Mitgliedern der katholischen Parteien Zentrum und BVP werden Hausdurchsuchungen durchgeführt.
In der Kasino-Gesellschaft, Speyerer-Straße 37, findet eine Ausstellung des Münchener Malers Carl A. Korsthaus statt. Die Bilder von Korsthaus, so der Vorsitzende des Kampfbundes für deutsche Kultur in Frankenthal, der Lehrer Eduard Ristelhuber, zeigten "nicht Zerstörung, nicht turbulente Kleckserei und Fragmente und tendenziöse Auswüchse einer kranken Zeit … nein – Gott sei Dank – ein begnadetes Schaffen aus deutscher Seele geboren".
23. Juni 1933
Schreiben des Eppsteiner Bürgermeisters Stauffer an August Magin: "Trotzdem die marxistische Organisation der 'Eisernen Front' schon längst verboten ist, haben Sie immer noch deren Abzeichen (3 Pfeile) an Ihrer Scheune angebracht. In Ihrem eigenen Interesse ersuche ich um Entfernung derselben binnen 3 Tagen.
25. Juni 1933
Eine Abordnung des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes fordert von Bürgermeister Stepp die Entlassung mehrerer Beamter der Stadtverwaltung, da sie nicht voll und ganz hinter der "nationalen Regierung" stünden.
Im "Frankenthaler Katholischen Kirchenblatt" wird eine Anzeige des jüdischen Möbelhauses Julius Abraham, Wormser Straße 27, veröffentlicht. Die beiden Frankenthaler Tageszeitungen hatten schon seit Wochen keine Anzeigen von jüdischen Geschäften mehr aufgenommen.
26. Juni 1933
Die Stadträte Dauth, Mappes, Brein, Christmann und Berthold der beiden katholischen Parteien Zentrum und BVP werden in "Schutzhaft" genommen.
27. Juni 1933
Ludwig Weyland vom Gaswerk, Buchhalter Johannes Schlupp von der Stadtsparkasse, Bauamtsdirektor Konrad Thiery, Obergärtner Eduard Lübbe, Stadteinnehmer Heinrich Fuchs, Bauführer Jakob Baumann, Stadtobersekretär Heinrich Böhmer, Gemeindedienstanwärter Nockel, Sparkassenangestellter Karl Zimmermann, Polizeihauptwachtmeister Reinhold Biering, Obersteuersekretär Ernst Wolf, Rechtsanwalt Dr. Robert Blum und Rechtsanwalt Emil Schreiner werden in "Schutzhaft" genommen. Die Gründe werden in der Presse nicht genannt.
29. Juni 1933
Stadtratssitzung. Da die Mitglieder der Fraktion von Zentrum und BVP, die sich alle in "Schutzhaft" befinden, ihre Mandate niedergelegt hatten, besteht der Stadtrat nur noch aus Nationalsozialisten. "Die Sitzung war nach kurzer Dauer beendet", schreibt die "Frankenthaler Zeitung", "da alle Punkte der umfangreichen Tagesordnung ohne Aussprache erledigt wurden".
30. Juni 1933
Ludwig Deutsch, Oskar Hirsch, Karl Gustav Lerch, Theodor Brodesser, Ludwig Kohl, Hans Keller und Heinrich Müller werden in "Schutzhaft" genommen. Ludwig Kohl und Hans Keller waren Mitglieder der mittlerweile aufgelösten Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), bei den anderen sind die Gründe für die Verhaftung nicht bekannt.
Die inhaftierten Zentrums- und BVP-Politiker, die ihre Stadtratsmandate niedergelegt haben, werden aus der "Schutzhaft" entlassen.
Die Frankenthaler Ortsgruppe des "Volksvereins für das katholische Deutschland" löst sich auf.